Atom-Deal:Da hört die Freundschaft auf

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Wie die Europäer eine Kündigung des Abkommens mit Iran verhindern wollen.

Von Stefan Kornelius und Paul-Anton Krüger

Fünf Mal haben sie sich getroffen, fünf Mal wurde gerungen wie unter Feinden, fünf Mal stand die immer gleiche Frage im Raum, ohne dass jemand die Antwort geben konnte: Lässt sich eine der wichtigsten diplomatischen Errungenschaften des letzten Jahrzehnts auch im Zeitalter von Donald Trump am Leben erhalten? Lässt sich das Nuklear-Abkommen retten, das Iran vom Bau einer Atombombe abhalten soll?

Eigentlich war die Iran-Verhandlungsgruppe des Westens eine verschworene Gemeinschaft. Aber nach der Wahl Trumps saß der größte Feind dieser Abrüstungsgroßtat plötzlich im Weißen Haus. Seitdem stellt sich im Vier-Monats-Rhythmus die Frage: Platzt das Abkommen, weil Trump es nicht mehr will? Leicht wäre es, er müsste nur die Sanktionen zulassen, die der US-Kongress gegen Iran verhängt hat. Damit wäre der Deal tot, und Teheran würde wohl schnell wieder an der Bombe basteln.

Um dieses Szenario zu verhindern, haben die EU, Briten, Franzosen und Deutsche in einer seltenen Verhandlungskonstellation den USA Fesseln anzulegen versucht. In immer neuen Formationen trafen sich in den vergangenen Wochen dazu hochrangige Diplomaten. Dabei entpuppte sich als größtes Problem die Frage, ob eine Abmachung, verhandelt auf höchstem Niveau, am Ende vor dem Allerhöchsten Bestand haben würde. Dass man es dabei mit den Launen und Wahrnehmungen des Präsidenten zu tun haben würde, räumten selbst die US-Verhandler ein.

Trump hatte Mitte Januar ein paar abwertende Sätze über das Nuklearabkommen geäußert. Diese dürren und wenig durchdachten Worte waren Grundlage einer tiefschürfenden Textanalyse: Was könnte der Präsident gemeint haben? Welche Antwort muss man geben, um ihm seine Argumente aus der Hand zu schlagen?

Das Ergebnis liegt nun in einem vierteiligen Dokument vor, das allerdings bis zum Stichtag, dem 12. Mai, noch ein paarmal verändert werden könnte. Die Reisen von Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel nach Washington in dieser Woche dienen dazu, Trump jetzt schon eine rote Linie aufzuzeigen: Kündigt er den Iran-Deal, dann sehen sich die Europäer nicht verpflichtet, den jetzt vorbereiteten Vertrag mit Leben zu erfüllen. Will heißen: Alles, was man in den vergangenen Wochen zum iranischen Raketenprogramm oder zu den iranischen Aktivitäten in Syrien, Libanon, im Irak oder in Jemen verabredet hat, ist hinfällig.

Schwer beschädigt wäre auch das transatlantische Bündnis, wenn Deutschland, Frankreich und Großbritannien in einer derart wichtigen Frage im selben Boot säßen wie Russland - aber eben ohne die USA. Man habe "die Kollegen aus den Vereinigten Staaten noch einmal mit vielen Argumenten versorgt", sagte Außenminister Heiko Maas sibyllinisch in New York. Selbst über Israel laufen nun die Telefone heiß, um Trump von dieser diplomatischen Massenkarambolage abzuhalten. Die Regierung Netanjahu hält zwar wenig vom Nuklear-Abkommen, besser als gar kein Deal sei es aber allemal.

Teheran ist sehr eindeutig: Ein Abkommen ohne die USA wird es nicht geben

Die Sorgen um die Brauchbarkeit des ursprünglichen Abkommens mit Iran soll nun das neue transatlantische Papier zerstreuen. Trump soll keine Zweifel mehr haben, dass der Deal wirklich etwas taugt. Per Interpretation wird festgestellt, das Iran niemals ein militärisches Nuklearprogramm haben werde - so steht immerhin in der Präambel des Atom-Abkommens. Außerdem geht es um die Laufzeit des Vertrags und die Frage der Kontrolle. Teil Vier handelt von den neuen Problemen, die Iran nach gemeinsamer Lesart in der Region verursacht. Prinzipiell versuchten sich die Europäer in dem Spagat, dem bestehenden Nuklear-Deal Zähne zu verpassen, ohne dass Teheran den Biss spürt. Denn auch aus Iran war die Ansage unmissverständlich: Neu verhandelt wird nicht, der Vertrag gilt. Diese Sicht teilen übrigens auch Russland und China - ebenfalls Unterzeichnerstaaten des Abkommens.

Mit den Iranern trafen sich die Europäer bereits während der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Neben Diplomaten aus Berlin, Paris und London saß auch ein Vertreter Roms mit am Tisch - man wollte den Eindruck vermeiden, es gehe irgendwie doch um Nachverhandlungen des Atomabkommens. Anfang März flog Frankreichs Außenminister Jean Yves Le Drian nach Teheran, wo er nicht nur seinen Kollegen Mohammad Javad Zarif traf, sondern auch von Präsident Hassan Rohani empfangen wurde. Le Drian reiste mit der Erkenntnis ab, dass noch "viel Arbeit zu tun bleibe" - die diplomatische Übersetzung dafür, dass sich die Iraner zu Zugeständnissen nicht bereit fanden.

Am Wochenende nun machten Zarif und Rohani nochmals klar, dass für sie der Vertrag nur gilt, wenn alle Unterzeichner zu ihrem Wort stehen, also auch die USA. Ein Abkommen allein mit den Europäern, von denen Iran am meisten beim Sanktionsabbau profitiert, werde es nicht geben.

Zarif drohte dann sogar damit, dass Iran seine Urananreicherung binnen Tagen wieder auf das Niveau von vor dem Abkommen hochfahren könne - das wäre eine scharfe Eskalation. Mit Blick auf die Bemühungen der Europäer sagte er, sie sollten lieber Druck auf Trump ausüben, statt mehr von Iran zu fordern. Und Präsident Rohani kündigte in einer Fernsehansprache an, Irans Atomenergiebehörde sei bestens vorbereitet. Rohani steht innenpolitisch massiv unter Druck des Sicherheitsapparats und der mächtigen Strömung der Ultrakonservativen. Sie hatten das Atomabkommen immer abgelehnt und werden versuchen, jegliche Zugeständnisse zu verhindern. Für sie böte eine Veränderung des Vertrags womöglich die Chance, Rohani zu Fall zu bringen.

© SZ vom 24.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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