Asylpolitik:Schulterschluss

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Nationale Aufgabe: In den Industriestaaten steigen die Asylzahlen. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Die Ministerpräsidenten fordern mehr Hilfe vom Bund bei der Unterbringung von Flüchtlingen und der Prüfung von Asylanträgen.

Von Stefan Braun, Berlin

Angesichts der weiter stark ansteigenden Flüchtlingszahlen fordern die Länder den Bund auf, ihnen und den Kommunen bei den zusätzlichen Lasten für die Aufnahme der Flüchtlinge erneut massiv zur Seite zu springen. Nach dem jüngsten Treffen der Ministerpräsidenten am Donnerstag in Berlin erklärte ihr Vorsitzender, der brandenburgische Regierungschef Dietmar Woidke, die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge sei "eine gesamtsaatliche nationale Aufgabe, die wir nur gemeinsam schultern können".

Woidke verwies darauf, dass sich die Asylbewerberzahlen seit drei, vier Jahren sehr dynamisch nach oben entwickelt hätten und die Vorhersagen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom Jahresanfang am Jahresende regelmäßig überschritten worden seien. Für dieses Jahr hat das Bundesamt jüngst 300 000 Asylbewerber vorhergesagt. Nach eigenen Berechnungen gehen die Länder sogar von 500 000 Asylbewerbern aus. Die Bundesregierung hatte diesen Zahlenangaben der Länder am Mittwoch allerdings widersprochen. Bislang seien die Prognosen des Bundesamts ziemlich punktgenau gewesen, hieß es dort. Auch deshalb sei man nicht bereit, über das im Dezember gemeinsam vereinbarte Hilfspaket hinaus neues Geld freizumachen. Anfang Dezember hatten sich Bund und Länder daraufgeeinigt, dass der Bund für 2015 und 2016 eine Milliarde Euro mehr zur Verfügung stellen werde - 500 Millionen als direkte Hilfen, 500 Millionen als Kredite mit langer Laufzeit.

Nach eigenen Berechnungen gehen die Länder von 500 000 zusätzlichen Asylbewerbern aus

Woidke betonte nun, die Beschlüsse und Zusagen von Dezember seien ein guter Anfang, aber noch lange keine endgültige Lösung des Problems gewesen. "Der Bund ist jetzt gefordert, die Situation nicht kleinzureden, sondern ernst zu nehmen." Ihm schwebt vor, dass der Bund insbesondere bei der Dauer der Antragsprüfung und bei den Unterbringungskosten der Kommunen mehr tut. Dabei betonte er, es dürfe sich anders als im Dezember nicht länger um eine punktuelle Hilfe handeln. Angesichts der Größe des Problems und der zu erwartenden Dauer benötigten die Länder strukturelle, also dauerhafte Zusagen, so der SPD-Politiker.

Woidke vermied es aber, konkrete Summen zu nennen, die den Ländern vorschweben. Das könnte damit zu tun haben, dass sich die Ministerpräsidenten in dieser Frage am Donnerstag nicht gänzlich einig waren. Grundsätzlich freilich unterstützten auch CDU-geführte Länder den Ruf nach mehr Bundesmitteln.

So betonte Reiner Haseloff, der Ministerpräsident aus Sachsen-Anhalt, dass die Belastungen für die Kommunen auch deshalb so stark ansteigen würden, weil viele Flüchtlinge inzwischen nicht mehr alleine kommen, sondern immer mehr Familien mit Kindern und Kleinkindern. Das erhöhe die Kosten für die Unterbringung dramatisch. Hinzu komme, dass die Kosten für Sprachlehrgänge massiv anstiegen, auch weil sie Voraussetzung dafür seien, dass die Menschen nach drei Monaten tatsächlich arbeiten könnten. Der CDU-Politiker betonte, dass die Arbeitsagenturen in seinem Bundesland "Gewehr bei Fuß" stünden, um die Menschen nach der Drei-Monats-Wartefrist zu vermitteln. Dem stünden aber oft genug die fehlenden Sprachlehrgänge entgegen. "Der Bund ist am Zug", sagte Haseloff. Das gelte auch, weil nur der Bund durch eigene Initiative an Hilfen aus dem EU-Strukturfonds kommen könne.

Die neuen Forderungen der Länder kommen in einer Zeit, in der alle Prognosen massiv steigende Flüchtlings- und Asylzahlen vorhersagen. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben 2014 rund 860 000 Flüchtlinge in den Industriestaaten Asylanträge gestellt, das sind 45 Prozent mehr als 2013. Das Land mit den meisten Erst-Anträgen war im Jahr 2014 Deutschland mit mehr als 170 000. UN-Flüchtlingskommissar António Guterres rief die reichen Staaten auf, den Menschen großzügig zu helfen. Die meisten Flüchtlinge kamen aus Syrien und dem Irak ; die wichtigsten Zielländer für Asylbewerber sind in Europa neben Deutschland die Türkei, Schweden und Italien.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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