Asyl:Weiterer Abschiebeflug

Eine Maschine mit dem Ziel Kabul startete am Dienstag in Leipzig. Erneut gab es am Flughafen Proteste gegen die Abschiebungen.

Von Bernd Kastner und Susanne Klein

Angst vor Abschiebung

Gegen Abschiebeflüge gibt es stets Protest. Das Archivbild stammt vom Flughafen Frankfurt.

(Foto: Susann Prautsch/dpa)

Die Polizei kam vergangene Woche und nahm Reza G. mit, in Abschiebehaft. Seine Mutter und Schwestern dürfen bleiben, sie leben im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben, nur G. soll gehen. So berichten es seine Unterstützer. Er ist einer der afghanischen Flüchtlinge, die auf den Abschiebeflug gebucht waren, der nach Informationen der Deutschen Presseagentur am Dienstagabend in Leipzig mit Ziel Kabul startete. G.s Fall empört Flüchtlingshelfer, weil der Mann nicht straffällig geworden sei und trotzdem ins unsichere Afghanistan zurück gezwungen werde.

Werden sollte, muss es nun heißen. Nach Angaben seiner Anwältin Myrsini Laaser hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Dienstag zugesagt, G.s Fall nochmals zu prüfen. Laaser ging davon aus, dass die Ausländerbehörde der Regierung von Schwaben die Abschiebung nun stoppe. Diese hält G. für einen Identitätsverweigerer, sagte ein Sprecher. Ihm seien "mehrfach Fristen gesetzt" worden, trotzdem habe er nicht mitgewirkt, einen Pass zu beschaffen. Damit fällt G. formal in eine der drei Kategorien von abgelehnten Flüchtlingen, die laut Bundesregierung abgeschoben werden sollen: Straftäter, Gefährder und solche, die bei der Klärung ihrer Identität nicht ausreichend mitwirken.

Anwältin Laaser berichtet eine andere Geschichte: Ihr Mandant habe versucht, im afghanischen Konsulat Papiere zu erhalten. Das aber habe nicht geklappt, weil G. nicht an die dafür nötige Tazkira, das afghanische Identitätsdokument, herankomme. Er habe in Afghanistan keine Verwandten - weil er selbst nie in Afghanistan gelebt habe. Er sei in Iran geboren.

Seit Dezember vergangenen Jahres führt Deutschland immer wieder Sammelabschiebungen nach Afghanistan durch. Diese wurden nach dem Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul Ende Mai für die meisten Flüchtlinge ausgesetzt, bis auf die drei genannten Gruppen. Das verurteilt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl - wegen der sehr unsicheren Lage in Afghanistan und der politischen Situation in Deutschland: "Dass ausgerechnet am Tag der Konstituierung des Bundestages in das Krisengebiet abgeschoben werden soll, ist eine verantwortungslose Verneigung vor Rechtspopulisten." Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte die Bundesregierung noch am Dienstagabend auf, die Abschiebung zu stoppen. Sie stehe in "Widerspruch zu unserer humanitären Schutzverantwortung". Laut dem Bayerischen Flüchtlingsrat werden mehreren der Straftäter aus Bayern nur Bagatelldelikte vorgeworfen. Die Behörden selbst geben regelmäßig erst Details bekannt, wenn die Maschine am Zielort gelandet ist.

Bereits am Dienstagmorgen protestierten etwa 150 Menschen am Flughafen Leipzig-Halle gegen den Abschiebeflug. "Auch Strafgefangene dürfen nicht Gefahren ausgesetzt werden", sagte die Linke-Politikerin Juliane Nagel. Bei Anschlägen in Afghanistan hatte es in der vergangenen Woche Hunderte Tote gegeben. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verteidigte den Abschiebeflug. Die Rückführung sei nötig, um das Asylsystem funktionsfähig zu halten.

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