Asyl:Wackeliger Status

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148 000 positive Asylbescheide sollen vorzeitig noch einmal überprüft werden - Auslöser ist das Bamf-Desaster um den Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als vermeintlicher syrischer Flüchtling in das Schutzsystem eingeschlichen hatte.

Von Bernd Kastner, München

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wird deutlich mehr positive Asylbescheide vorzeitig überprüfen als ursprünglich geplant. Während Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im vergangenen Mai bis zu 100 000 Prüfungen ankündigte, heißt es jetzt aus seinem Haus auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, dass sich die Zahl auf 148 000 Verfahren erhöhe. Dies ist eine Konsequenz aus dem Bamf-Desaster im Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als vermeintlicher syrischer Flüchtling ins Schutzsystem eingeschlichen hatte.

Das Innenministerium will andererseits abgelehnte Anträge nicht selbst revidieren

Positive Bescheide für Menschen, die als Asylberechtigte oder Flüchtlinge anerkannt wurden, sind laut Gesetz nach spätestens drei Jahren zu überprüfen. Der sogenannte subsidiäre Schutz, vor allem für Bürgerkriegsflüchtlinge ohne individuelle Verfolgung, gilt zunächst nur für ein Jahr. Gründe für einen Widerruf können eine dauerhaft verbesserte Lage im Herkunftsland sein oder dass ein Flüchtling als Sicherheitsrisiko eingestuft wird.

Laut Bundesregierung prüft man derzeit solche Bescheide vorzeitig, in denen die Entscheidung im schriftlichen Verfahren erging; dies war 2015/16 oft der Fall, damals wurden viele Asylbewerber aus Syrien, dem Irak und Eritrea nicht persönlich angehört. Dazu kämen Fälle, bei denen die Antragsteller keine Identitätsdokumente vorlegten. Derzeit seien mit den vorgezogenen Prüfungen 80 Mitarbeiter im Asyl-Bundesamt beschäftigt, ihre Zahl solle sich weiter erhöhen. Sie kooperieren mit Ausländer- und Sicherheitsbehörden von Kommunen und Ländern.

Im Rahmen der aktuellen Aktion legte das Bamf im zweiten Quartal 2017 etwa 1300 Prüfakten an, im dritten Quartal stieg diese Zahl um ein Vielfaches auf knapp 25 000. Abgeschlossen wurden erst wenige Fälle: Von den eingeleiteten Widerrufsverfahren - etwa 22 000 betreffen Syrer und Iraker - waren bis September erst 900 entschieden. In knapp einem Viertel davon nahm das Bamf den Schutzstatus zurück. Wegen der geringen Fallzahl ist dies aber wenig aussagekräftig; die bisherigen Ergebnisse will das Innenministerium auch noch nicht bewerten. Die Bescheide abgelehnter Asylbewerber werden nicht erneut untersucht. Diese Flüchtlinge verweist das Haus von de Maizière auf den Klageweg vor den Verwaltungsgerichten.

Das Vorgehen von Innenministerium und Asyl-Behörde kritisiert Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Linken: Wenn es Sicherheitsbedenken gebe, müssten die Behörden diesen im Einzelfall nachgehen. Die pauschale vorzeitige Überprüfung aber bringe nichts, außer dass anerkannte Flüchtlinge verunsichert und dem ohnehin überlasteten Bamf weiter Mehrarbeit aufgebürdet werde. "Viel wichtiger wäre es, die ablehnenden Bescheide des Bamf noch einmal auf Fehler zu untersuchen." Viele Bescheide des Bamf würden von den Gerichten wegen teils eklatanter Mängel wieder aufgehoben. "Damit wird die Verwaltungsjustiz komplett überlastet", so Jelpke. Der "immense Mehraufwand" für die vorzeitigen Prüfungen "behindert die dringend erforderliche Beschleunigung und Qualitätsverbesserung der Verfahren". Das Innenministerium verteidigt die Prüfaktion, sie führe "zu keiner nennenswerten Beeinträchtigung" der normalen Arbeit.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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