Asyl:Entscheiden im Akkord

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Das Flüchtlings-Bundesamt rügt die "zu geringe Produktivität" von Mitarbeitern - und zieht eine merkwürdige Konsequenz.

Von Bernd Kastner, München

Die Geschwindigkeit ist wichtig im Asyl-Geschäft. Mitunter drängt sich die Frage auf, ob sie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sogar wichtiger ist als die Qualität der Arbeit. Die Bochumer sind nicht schnell genug - so in etwa lautet das Fazit einer Besprechung Anfang April in der Zentrale des Bamf in Nürnberg. Dabei rügt ein Mitglied der Amtsleitung, dass die Entscheider in der Außenstelle Bochum zu wenige Fälle erledigten. Statt der erwarteten zwei Entscheidungen pro Tag und Mitarbeiter, hätten die Bochumer nur 0,5 Bescheide verfasst; in Kalenderwoche 14 war das, unmittelbar nach Ostern. Eine "zu geringe Produktivität" habe deshalb die Bamf-Spitze der Außenstellen-Chefin vorgehalten. So berichtet sie es zwei Tage später ihren Leuten in einer E-Mail, die der Süddeutschen Zeitung  vorliegt

Sie kündigt Konsequenzen an, vorgegeben von der Zentrale: Für die Monate April und Mai werden zahlreiche Schulungen abgesagt. Dabei handelt es sich um Kurse, in denen grundlegendes Wissen vermittelt werde, um korrekte Bescheide zu verfassen, wie ein Insider erklärt. Darunter sind die Schulungen für "Sonderbeauftragte", also Entscheider, die sich besonders verletzlicher Flüchtlinge annehmen, darunter Opfern von Vergewaltigungen oder Folter. "Menschenhandel im Asylverfahren: Identifizierung, Befragung" lautet ein Programmpunkt einer Schulung, die Mitte Mai in Nürnberg geplant ist. Der aus Bochum bereits angemeldete Entscheider darf nun nicht teilnehmen.

Wie passt dies zum Versprechen des Bamf, verstärkt auf Qualität zu achten? Wäre es nicht sinnvoller, Mitarbeiter zuerst zu schulen und sie dann zu größerer Produktivität anzuhalten? Das Bamf beantwortet diese Frage nicht, versichert lediglich, dass die "zeitliche Verlegung" der Schulungen aufgrund eines "mehrstufigen Qualitätssicherungskonzepts" keine negative Auswirkungen erwarten lasse. Die Zielvorgabe von täglich zwei Bescheiden pro Entscheider sei unproblematisch: "Es entspricht nicht unserer Erfahrung, dass diese Orientierungswerte zu einer fehleranfälligen Arbeitsweise führen." Ein langjähriger Bamf-Entscheider sieht das ganz anders: "Das schafft kein Mensch. Wenn man eine sachgerechte Arbeit machen will, sind diese Vorgaben unmöglich einzuhalten."

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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