Argentinien:Stichwahl für ganz Lateinamerika

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Nicht von Pappe: Der Konservative Mauricio Macri, hier als Plakat, führt die Umfragen in Argentinien deutlich an. (Foto: Juan Mabromata/AFP)

Am Río de la Plata geht es am Sonntag nicht nur um den Präsidenten, sondern um das Gefüge des Kontinents.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Daniel Scioli, 58, stammt aus gutem Elternhaus. Sein Vater war einer der reichsten Unternehmer des Landes, auch der Sohn machte zunächst in der Privatwirtschaft Karriere. Am Sonntag will er Präsident von Argentinien werden. Scioli hat angekündigt, die letzten Stunden vor der Wahl mit seinen Liebsten zu verbringen. Er werde mit Freunden Fußball spielen und mit der Familie grillen.

Mauricio Macri, 56, stammt aus gutem Elternhaus. Sein Vater war einer der reichsten Unternehmer des Landes, der Sohn machte in der Privatwirtschaft Karriere. Macri ist Sciolis Rivale in der erstmals stattfindenden Stichwahl um die argentinische Präsidentschaft. Er will am Tag vor der Abstimmung mit Freunden Fußball spielen und, klar, mit der Familie grillen.

Es erschließt sich nicht gleich, weshalb Argentinien vor einer Richtungswahl steht. In den Biografien von Scioli, dem Gouverneur der Provinz Buenos Aires, und Macri, dem Bürgermeister der Hauptstadt, gibt es viele Parallelen. Beide sind Millionäre. Beide begeistern sich mehr für Sport als etwa für Literatur: Scioli war Rennboot-Weltmeister und ist Fußballfan von Boca Juniors, Macri war dort Klubchef. Beide wurden einst als politische Seiteneinsteiger vom neoliberalen Staatspräsidenten Carlos Menem gefördert.

Linke von Brasilien bis Honduras machen sich Sorgen, weil die Region am Scheideweg steht

Die Bewerber um die Nachfolge von Cristina Kirchner sind aus demselben Holz geschnitzt. Trotzdem ist die Wahl wegweisend. Von ihr könnte ein Signal für Lateinamerika ausgehen. So sehen das gut 50 Politiker und Intellektuelle, die sich für den Regierungskandidaten Scioli ausgesprochen haben. Im Falle eines Sieges der Opposition würde sich Argentinien in die "Speerspitze der konservativen Restauration" verwandeln, heißt es in dem Manifest. Zu den Unterzeichnern gehören der brasilianische Theologe Frei Betto, der vom Militär gestürzte ehemalige honduranische Präsident Manuel Zelaya sowie Boliviens Staatschef Evo Morales - die vereinte Linke Lateinamerikas. Die macht sich Sorgen, weil die Region am Scheideweg steht.

Kuba, einst Speerspitze des Sozialismus, sucht sich gerade neue Freunde. Brasilien wählte 2014 noch einmal links, wird aber informell regiert von einer erstarkten Rechten. Und ob sich Halbdiktator Nicolás Maduro in Venezuela hält? In zwei Wochen sind dort Parlamentswahlen.

Sollte Macri siegen, könnte das die Kontinentaldrift beschleunigen. Außenpolitisch grenzt er sich am stärksten vom Regierungslager ab. Er will die Abkehr vom Autarkie-Kurs der Kirchner-Ära, dringt auf eine Lösung im Streit mit internationalen Hedgefonds, und er will sich mit Maduro anlegen. Mehr USA wagen, so könnte man sein Programm zusammenfassen.

Scioli stellt seinen Gegner als konservativen Hardliner dar, der die erfolgreichen Sozialprogramme der Kirchner-Ära kassieren wird. Aber sein Problem ist, dass niemand sicher weiß, wo er eigentlich steht. In der Kirchner-kritischen Hauptstadt tritt er als Erneuerer auf. Wenn er durch die ärmeren Provinzen tourt, gibt er den Linken. Beim Fernsehduell war Scioli nur mäßig erfolgreich. In allen Umfragen liegt Macri deutlich vorn. Für einen Sieg des Regierungslagers spricht wenig, wobei: Wenn etwas in Argentinien nicht funktioniert, dann sind es die Wahlprognosen.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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