Anschlag in Nizza:Gegen die Feinde der Freiheit

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Für François Hollande sind Auftritte nach Terroranschlägen zur traurigen Routine geworden. Dennoch zeigt sich Frankreichs Präsident in Nizza kämpferisch, besucht Verletzte im Krankenhaus - und stellt sich vor die Polizei.

Von Paul Munzinger

Warum Nizza?, fragt François Hollande und antwortet selbst: Weil dies eine weltweit bekannte Stadt sei, eine der schönsten der Erde. Warum der 14. Juli, fragt er, warum der französische Nationalfeiertag? Weil es das Fest der Freiheit sei, und weil Frankreich es mit einem Gegner zu tun habe, der allen Ländern den Krieg erklärt habe, deren größter Wert die Freiheit ist.

Für den französischen Präsidenten sind diese Auftritte zur traurigen Routine geworden. Charlie Hebdo, Bataclan und jetzt Nizza: Zum dritten Mal in nur eineinhalb Jahren steht Hollande vor den Kameras, um zu erklären, was nicht zu erklären ist. Um die Franzosen zur Einigkeit aufzurufen angesichts des wiederkehrenden Terrors. Um Stärke zu demonstrieren nach einer Tat, die Frankreich und die gesamte westliche Welt einmal mehr an ihrem schwächsten Punkt getroffen hat.

Mindestens 84 Menschen sind am Donnerstag, dem französischen Nationalfeiertag, auf der mondänen Promenade des Anglais ums Leben gekommen, getötet von einem 31-jährigen Mann, der einen gemieteten LKW in eine tödliche Waffe verwandelte. Die Opfer kommen aus den USA, aus Russland, aus Marokko, aus Deutschland, "aus allen Kontinenten", wie Hollande bei seinem Auftritt in der Präfektur Nizzas sagt. Und ihre Zahl könnte noch viel größer werden. Rund 50 Menschen befinden sich noch in einem kritischen Zustand, sie "schweben zwischen Leben und Tod", sagt Hollande.

Terroranschlag von Nizza
:Was wir über die Tat wissen - und was nicht

In der Nacht zum Freitag ist ein Lkw in Nizza in eine Menschenmenge gerast. Mindestens 84 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Fakten.

Nach seiner Ankunft in Nizza ist der Präsident direkt in das Hôpital Pasteur geeilt, wo die Ärzte um das Leben der Verletzten kämpfen. Gemeinsam mit Premier Manuel Valls und Innenminister Bernard Cazeneuve hat er mit Verletzten gesprochen, mit einem Paar, sie 18 Jahre alt, er Mitte zwanzig, beide schwer verletzt. Hollande lobt die aufopfernde Arbeit der Ärzte, die aus dem Feierabend zurück ins Krankenhaus eilten, um zu operieren, um Leben zu retten. Selbst die, die den Abend des 14. Juli körperlich unversehrt überstanden haben, sagt Hollande, würden die "Bilder des Horrors" ihr Leben lang in ihren Köpfen tragen.

Der Anschlag traf auch viele Kinder

Besonders betroffen zeigt sich der Präsident davon, dass der Attentäter so viele Kinder umgebracht hat. Mindestens zehn sollen es sein, Dutzende werden im Krankenhaus behandelt. "Viele Kinder, junge Kinder", sagt Hollande. Kinder, die mit der Familie ein Feuerwerk genießen, einen unbeschwerten Abend verbringen wollten und sterben mussten, um, wie Hollande sagt, "die Grausamkeit eines Einzelnen oder einer Gruppe zu befriedigen". Ob der Attentäter, der allein in der Fahrerkabine des LKW saß, Komplizen hatte, ist noch nicht klar.

Einige französische Politiker sind am Freitag sehr schnell von der Trauer zur Kritik übergegangen. Marine Le Pen, Chefin des rechten Front National, warf der Regierung Hollandes vor, den Kampf gegen den Terrorismus gar nicht führen zu wollen. Alain Juppé, ein aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner im kommenden Jahr, deutete an, das Attentat hätte verhindert werden können, hätte man nur alle möglichen Maßnahmen ergriffen.

Hollande hält dagegen: Die Sicherheitskräfte hätten die Strandpromenade, auf der am Donnerstagabend 30 000 Menschen feierten, so sicher gemacht, wie es eben geht. Völlige Sicherheit, deutet er an, gibt es eben nicht, schon gar nicht, wenn der Terror nicht einmal mehr Waffen braucht, um zu töten. Die Polizei, die Gendarmerie, die Sicherheitsdienste, seien der Stolz Frankreichs. Der Kampf, in dem das Land sich befinde, sei lang, sagt Hollande. "Doch wir sind in der Lage, sie zu schlagen."

Jetzt müsse Frankreich beweisen, dass es ein geeintes, ein starkes Land ist, fordert Hollande. "Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet", sagt er. "Einmal mehr."

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