Angebliche Attentatspläne des Iran:Zu viel Hollywood, um wahr zu sein

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Eine stümperhaft vorgehende Elite-Militäreinheit, ein unklares politisches Ziel und ein enormes Risiko für den mutmaßlichen Täter - auch US-Experten zweifeln an den angeblichen iranischen Anschlagsplänen. Washington ist bislang Beweise schuldig geblieben, dass Teheran wirklich in das Vorhaben verwickelt ist.

Paul-Anton Krüger

So langsam dürfte FBI-Chef Robert S. Mueller seine launige Bemerkung bereuen, das vereitelte angebliche Mordkomplott iranischer Agenten gegen den saudi-arabischen Botschafter in Washington klinge nach einem Thriller aus Hollywood. Zwar hatte er nachgeschoben, der Plan sei sehr real gewesen. Doch der Plot erscheint den meisten Experten doch zu abenteuerlich, um wahr zu sein.

Wem hätte die Attacke in Washington genutzt? US-feindliche Parole in Teheran. (Foto: Reuters)

Selbst US-Ermittler und Regierungsmitarbeiter hegten anfangs große Zweifel, ob tatsächlich höchste Stellen des Regimes in Teheran in die Verschwörung verwickelt sein könnten, wie die Washington Post am Donnerstag enthüllte. Zu stümperhaft wirkt die Planung, um darin ein Werk der als hochprofessionell geltenden Quds-Brigaden zu sehen, der "Elite der Elite" des iranischen Militärs, wie es der italienische Experte Nicola Pedde formuliert. Zu unklar ist, welches politische Ziel Iran mit der Operation verfolgt haben könnte. Zu groß erscheint das Risiko der Aufdeckung und der politischen Folgen - hätte der Anschlagsplan sein Ziel erreicht, wäre das einem Kriegsgrund gleichgekommen.

Und zu absurd wirkt die Geschichte, der angeklagte Autohändler Manssor Arbabsiar sei über eine Bekannte zufällig an einen mit ihr verwandten Informanten der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA geraten, als er versuchte, beim mexikanischen Drogenkartell Los Zetas ein Killerkommando anzuheuern. All diese Punkte versuchten hohe US-Regierungsvertreter in Washington in Hintergrundgesprächen mit Journalisten zu erhellen, während amerikanische Diplomaten in New York reihenweise Kollegen verbündeter Länder informierten.

Der Sprecher des Weißen Hauses jedenfalls blieb deutlich hinter der ohnehin vorsichtigen Formulierung von Justizminister Eric Holder zurück. Der hatte erklärt, dass "Elemente der iranischen Regierung" die Anschlagsvorbereitungen mit geplant, gesteuert und finanziert hätten, während Jay Carney auch auf Nachfrage nicht mehr sagen wollte, als dass "klar höhere Ebenen der Quds-Brigaden beteiligt" waren.

Verschiedene Deutungen und Interpretationen

Andere Regierungsvertreter räumten ein, es gebe bislang keine harten Beweise, dass der Chef der Revolutionsgarden, Qassim Suleimani, oder gar der Geistliche Führer, Ayatollah Ali Chamenei, in die Geschichte eingeweiht waren, auch wenn das "mehr als wahrscheinlich" sei. In Washington wie auch unter Diplomaten und Geheimdienstlern kursieren verschiedene Deutungen, was hinter den widersprüchlichen Aussagen von US-Regierungsvertretern steckt und was an der Räuberpistole nun dran sei.

Eine Lesart lautet, dass die USA über die in der Anklageschrift offengelegten Erkenntnisse hinaus über Geheimdienstinformationen aus Iran verfügen, die zumindest die Spitze der Revolutionsgarden inkriminieren. Womöglich halten Zwänge wie der Quellenschutz oder taktische Erwägungen die Dienste - noch - davon ab, das ganze Bild preiszugeben, das die Regierung veranlasst hat, ihre Anschuldigungen zu erheben und Offiziere der Quds-Brigaden auf die Sanktionsliste zu setzen. Das zumindest würde erklären, warum sich einige westliche Diplomaten durchaus überzeugt zeigten, dass die Vorwürfe gegen Iran stichhaltig sind.

"Die Welt hinter einer gemeinsamen Antwort versammeln"

Eine weitere Interpretation lautet, dass nicht alles zwingend falsch sein muss, was auf den ersten Blick wenig plausibel erscheint oder bekannten Mustern zuwiderläuft. Iran könnte, politisch durch die Umbrüche im Nahen Osten unter zunehmendem Druck, eine aggressivere Linie verfolgen, heißt es. Die Nutzung von Stellvertreter-Organisationen wie der radikalislamischen Hisbollah sei typisch für die Quds-Brigaden, die darauf bedacht seien, ihre Spuren zu verwischen.

Dass Iran sich auf ein Drogenkartell eingelassen habe, sei der Tatsache geschuldet, dass es den Revolutionsgarden schlicht an zuverlässigeren Partnern für Aktionen in den USA fehle. Eine andere Theorie lautet, nicht die Revolutionsgarden hätten Arbabsiar rekrutiert, sondern er habe sich in Iran seinem Cousin aufgedrängt. Der mäßig erfolgreiche Geschäftsmann sei nur darauf aus gewesen, Geld zu machen. Doch erklärt das nicht, warum die Garden sich darauf eingelassen haben sollten.

In Washington wird den Zweiflern entgegengehalten, dass US-Ermittler über Monate hinweg Beweise gesammelt hätten, die kaum zu entkräften seien - es gab unbestritten mitgeschnittene Telefonate und Gespräche, es gab Überweisungen von 100.000 Dollar aus Iran, eine Anzahlung für das Killerkommando. Das überzeugte wohl viele Zweifler in Washington. Die US-Regierung versucht jedenfalls, "die Welt hinter einer gemeinsamen Antwort versammeln", wie Vizepräsident Joe Biden sagte. Er nannte ausdrücklich neue UN-Sanktionen und ergänzte "nichts sei vom Tisch". Aus Saudi-Arabien hieß es nur, Iran müsse zur Rechenschaft gezogen werde.

© SZ vom 14.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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