Afghanistan:Schwacher Präsident von Washingtons Gnaden

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Afghanistan hat einen neuen alten Präsidenten: Doch Hamid Karsai fehlen Legitimation und Macht. Die USA brauchen jetzt einen neuen Plan für Afghanistan.

Tobias Matern

Afghanistan hat einen neuen alten Präsidenten. Er ist ein Staatschef mit ungenügender Legitimation. Für diese Erkenntnis genügt ein Blick auf die Fakten: Im ersten Wahlgang stimmte nur etwa ein Sechstel der Menschen für Hamid Karsai - die meisten Afghanen blieben aus Angst vor Anschlägen der Taliban lieber zu Hause.

Hamid Karsai: Schwacher Präsident von Washingtons Gnaden (Foto: Foto: dpa)

Nach der Abstimmung ließen seine Getreuen so viele Stimmen fälschen, dass der bereits proklamierte Sieg zurückgenommen werden musste. Herausforderer Abdullah Abdullah weigerte sich, in eine (für ihn wenig aussichtsreiche) zweite Runde gegen den Amtsinhaber zu gehen. Die Wahlkommission erklärte Karsai nun zum Präsidenten - trotz verfassungsrechtlicher Bedenken.

In anderen Ländern würde dies ausreichen, die Regierung zu isolieren. Nicht so in Afghanistan. Denn es gibt keine Alternative. Der Westen hat diese verfahrene Situation maßgeblich mitzuverantworten. Nach dem Einmarsch im Herbst 2001 war es der zwingende Wunsch der Staatengemeinschaft gewesen, einen starken Mann an der Spitze des zerrütteten Staates zu installieren. Am besten einen, der westliche Sprachen spricht und sich auf diplomatischem Parkett zu bewegen weiß: Hamid Karsai. Nur auf ihn zu setzen, war von Anfang an ein Fehler. Viel Macht liegt in den Regionen bei den Stammesführern, die sich wenig darum scheren, was in Kabul entschieden wird. Afghanistan wird sich nicht zu einer Demokratie mit einem starken Präsidenten nach US-Muster entwickeln, nur weil Washington dies einst so wollte.

Diesem Irrglauben ist die Bush-Regierung aufgesessen; aber auch die Administration von Barack Obama hat in Afghanistan ein Jahr nach dem Machtwechsel im Weißen Haus nichts vorzuweisen. Im Gegenteil. Sie hat einen peinlichen Zick-zackkurs hinter sich gebracht. Washington ließ erst durchblicken, Karsai sei in Ungnade gefallen, er führe eine korrupte Regierung an, sein Land sei ein "Narko-Staat". Nach der Wahl brachte dann ein US-Senator die Stichwahl mit auf den Weg. Nun verkündet Außenministerin Hillary Clinton nach der geplatzten Abstimmung, ihre Regierung werde den Präsidenten natürlich unterstützen. Eine durchdachte Position klingt anders.

Die braucht Obama aber dringend - vor allem, um seinem Volk erklären zu können, warum er noch mehr Soldaten an den Hindukusch schicken will. Nicht nur in den USA, im ganzen Westen schwindet der Rückhalt für den Einsatz, weil das Ziel längst nicht mehr klar definiert zu sein scheint. Das Wahlchaos wird die Afghanistan-Müdigkeit noch verstärken. Erfolge sind dringend erforderlich, und die lassen sich nur über stabilere Verhältnisse erzielen.

Dafür wird der Westen seine Fokussierung auf die Kabuler Zentralregierung verringern und stattdessen auch Kontakte mit den lokalen Stammesführern intensivieren müssen, etwa um sie von ihren lockeren Bündnissen mit den Taliban abzubringen. Andere Optionen bleiben acht Jahre nach dem Sturz der Islamisten nicht.

© SZ vom 03.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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