Äthiopiens Staatschef Meles Zenawi:Tod eines starken Mannes

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Er galt als Stimme eines neuen Afrikas. Das Demokratieverständnis von Äthiopiens Präsident Meles Zenawi orientierte sich zwar eher an China als an westlichen Industrienationen. Nach seinem Tod muss der Westen aber damit rechnen, dass der treue Bündnispartner Äthiopien in der heiklen Region künftig nur mit verminderter Kraft zur Verfügung steht.

Tobias Zick

Afrikanische Staatschefs müssen Vitalität ausstrahlen, jegliche Spekulation über Krankheit oder Gebrechen gilt schon als gefährliches Kratzen an der Macht. Deshalb hat die äthiopische Regierung in den vergangenen Monaten immer wieder Gerüchte dementiert, Ministerpräsident Meles Zenawi sei sterbenskrank, auch wenn den Verlautbarungen kaum jemand glauben mochte. Schon im Juli hatte er beim Gipfel der Afrikanischen Union in der eigenen Hauptstadt Addis Abeba gefehlt. Nun hat die Regierung bekannt gegeben, Meles sei in der Nacht zum Dienstag im Ausland verstorben.

Äthiopiens Ministerpräsident Meles Zenawi galt als Stimme eines neuen Afrikas - obwohl sich sein Demokratieverständnis eher an China als an den westlichen Industrienationen orientierte. (Foto: AP)

Der Tod des 57-jährigen Staatschefs ist alles andere als eine rein inneräthiopische Angelegenheit. Das Land am Horn von Afrika ist inzwischen einer der einflussreichsten Akteure des Kontinents, politisch wie wirtschaftlich. Westliche Politiker titulierten Meles gern als "Stimme" eines neuen Afrika - wobei freilich eine gehörige Portion eigener Interessen hineinspielte.

Meles, seit 1991 an der Macht, war eine höchst zwiespältige Figur. Unter seiner harten Reformerhand wuchs die Wirtschaft des lange für Hungerkrisen berüchtigten Staats zuletzt mitunter zweistellig - ein Wachstum, von dem allerdings bei Weitem nicht die Mehrheit der Äthiopier profitierte. Das Land gehört nach wie vor zu den ärmsten der Welt; die Preise für Lebensmittel haben sich im vergangenen Jahr vervierfacht, die Inflation steigt schneller als die Löhne. Ein Mega-Staudammprojekt soll den Energieertrag vervielfachen, wird aber wohl im benachbarten Kenia Wasserknappheit verursachen und im eigenen Land Tausende Menschen vertreiben.

Das Großprojekt ist symptomatisch für Meles' Demokratieverständnis. Bei der Parlamentswahl 2010 bekam seine Partei offiziell 99,6 Prozent der Stimmen. Schon fünf Jahre zuvor hatte er Proteste gegen das Wahlergebnis niederschlagen lassen; mehr als 200 Menschen starben, 30.000 wurden verhaftet, unter ihnen regimekritische Journalisten. Meles machte keinen Hehl daraus, dass er sich, was das Verhältnis von wirtschaftlicher Entwicklung und Demokratie angeht, eher an China orientiert als an den westlichen Geberländern. Doch die sahen darüber oft milde hinweg.

Äthiopien ist einer der wichtigsten strategischen Partner der USA in der Region; Meles ließ die Amerikaner von seinem Territorium aus Drohnen in Richtung Somalia starten und schickte eigene Truppen in das Nachbarland, um die islamistischen Milizen von al-Shabaab, Mitglieder im Terrornetzwerk al-Qaida, zu bekämpfen. Auch aus historischen Gründen ist Äthiopien eine Art natürlicher Verbündeter des Westens im Kampf gegen islamistischen Terror, denn das Christentum ist dort seit dem 4. Jahrhundert Staatsreligion. Erst vergangenen Donnerstag starb Abune Paulos, Oberhaupt der orthodoxen Kirche und Vertrauter von Meles.

Die Regierung müht sich nun, den Eindruck eines Machtvakuums zu vermeiden. Die Regierungsgeschäfte übernimmt Vizepremier Hailemariam Desalegn. Doch sicher ist es nicht, dass der Wechsel reibungslos über die Bühne geht. Meles baute in den 21 Jahren seiner Amtszeit einen Apparat um sich auf, der stark auf seine Person ausgerichtet war. Die Opposition wittert Morgenluft; Äthiopien dürften innenpolitisch turbulente Zeiten bevorstehen - und entsprechend weniger Energie könnte für außenpolitisches Engagement übrig bleiben.

Um die islamistischen Milizen in Somalia wird sich die Regierung schon aus eigenem Interesse weiter kümmern. Doch auf anderen Baustellen, wie etwa im Konflikt zwischen den verfeindeten Nachbarn Sudan und Südsudan, könnte Äthiopien der Atem ausgehen. Der Westen muss damit rechnen, dass ein treuer Verbündeter in der heiklen Region künftig nur mit verminderter Kraft zur Verfügung steht.

© SZ vom 22.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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