Ägypten:Sicherheit als hohle Phrase

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Präsident Sisi agiert immer mehr wie ein Diktator, die Präsidentschaftswahl Ende März wird zur Farce. Berlin muss daraus endlich Konsequenzen ziehen. Es sollte weitere Hilfe für Ägypten daran binden, dass sie wirklich den normalen Bürgern zu Gute kommt.

Von Paul-Anton Krüger

Sieben Jahre nach der Euphorie des Arabischen Frühlings erstickt das Regime in Ägypten die letzten Funken der Demokratie. Demonstrationen sind schon lange verboten. Als Protest blieb einem Bündnis enttäuschter Parteien also nichts mehr, als zum Boykott der Präsidentenwahl Ende März aufzurufen. Mit subtilem Druck, Schikanen und Verhaftungen hatten Sicherheitsapparat und Armee zuvor jeden ernst zu nehmenden Herausforderer für Präsident Abdel Fattah al-Sisi aus dem Rennen gedrängt. Geblieben sind ein Zählkandidat und eine Farce.

Eine weitere Amtszeit ist Sisi also sicher. Dennoch droht er der wachsenden Gruppe Unzufriedener: "Was vor sieben oder acht Jahren passierte, wird nicht wiederholt werden. Ihr scheint mich nicht gut genug zu kennen. Bei Gott, der Preis von Ägyptens Stabilität und Sicherheit ist mein Leben und das Leben der Armee." Jeder Ägypter weiß nun: Sollte das Volk noch einen Aufstand wagen, wird Sisi Panzer schicken.

Sicherheit, Stabilität und Wirtschaftsaufschwung hat Sisi nach der Machtübernahme des Militärs versprochen. Geliefert hat er davon nicht viel, auch wenn er jüngst auf einer eigens organisierten Konferenz die Liste der Errungenschaften seiner Regentschaft präsentierte. Schon wahr: Die volkswirtschaftlichen Indikatoren zeigen nach oben, die Devisenreserven haben sich erholt. Das aber hat sich die Regierung mit der Freigabe der Wechselkurse erkauft, die eine Abwertung der Währung um mehr als die Hälfte nach sich zog und Inflationsraten von mehr als 30 Prozent. Für die Masse der Ägypter war das eine kalte Enteignung.

Sicherheit ist die hohle Phrase, mit der das Regime die schärfste politische Repression am Nil seit Jahrzehnten rechtfertigt. Sie trifft längst nicht nur Terroristen und Muslimbrüder, sondern alle, die der offiziellen Linie nicht folgen: Liberale, Demokratieaktivisten, Menschenrechtler. Folter, gezieltes Verschwindenlassen von Menschen und außergesetzliche Tötungen gehören zu den gängigen Methoden.

Präsident al-Sisi regiert immer mehr wie ein Diktator. Berlin muss Konsequenzen ziehen

Dennoch sind der Sicherheitsapparat und das Militär nicht in der Lage, schwerste Anschläge zu verhindern - 300 Menschen starben bei einer angekündigten Attacke auf eine Moschee im Nordsinai, immer wieder werden Kirchen und auch die Sicherheitskräfte zum Ziel. Selbst im Militär wächst die Unzufriedenheit. Beleg sind Versuche des ehemaligen Luftwaffenchefs Ahmed Schafik und des weiter inhaftierten Ex-Generalstabschefs Sami Anan, Sisi herauszufordern. Der versucht seit Monaten, alle Macht auf sich zu konzentrieren: Ohne öffentliche Begründung ersetzte er Generalstabschef und Geheimdienstchef durch enge Vertraute.

Nach Stabilität sieht das nicht aus, vielmehr nach steigenden Spannungen in Gesellschaft und Regime. Schon einmal hat der Westen die Grabesruhe im autokratischen Arabien mit Stabilität verwechselt. Ein Blick nach Tunesien oder nach Marokko zeigt, wie es brodelt in der Region. Angesichts dessen muss sich die neue Bundesregierung fragen, ob sie die fast rückhaltlose Unterstützung für Sisi fortsetzen will, etwa mit 500 Millionen Euro ungebundener Budgethilfe. Es ist höchste Zeit, jede Unterstützung an Konditionen zu knüpfen und peinlich darauf zu achten, dass sie wirklich den Menschen zugutekommt - und nicht nur dazu dient, einem Präsidenten zu helfen, der sich zunehmend wie ein Diktator gebärdet.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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