Ägypten:Es gibt hier nichts zu sehen

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Ägypten kontrolliert streng, wie Medien über islamistischen Terror berichten. Auch den Raketenangriff auf ein Marineboot reden die Behörden klein.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es sind zwei Versionen einer Geschichte. Sie sind nicht unvereinbar miteinander, aber haben doch unterschiedliche Implikationen. Klar ist: Ein Patrouillenboot der ägyptischen Marine ist vor der Küste des Sinai in Brand geschossen worden. Nach den offiziellen Angaben der Armee ging das Schiff nach einem Feuergefecht mit "terroristischen Elementen" in Flammen auf. Keines der Besatzungsmitglieder sei verletzt worden. Ein Zwischenfall, so die Botschaft, aber ohne größere Bedeutung. Bilder, die der Ableger der Terror-Miliz Islamischer Staat auf dem Sinai im Internet veröffentlich hat, legen nahe, dass dies nur die halbe Wahrheit ist.

Die Echtheit der Aufnahmen ließ sich zunächst nicht verifizieren, aber in der Vergangenheit über die gleichen Kanäle verbreiteten Botschaften haben sich als authentisch erwiesen. Demnach attackierten die Terroristen das Schiff mehrere Kilometer vor der Küste der Stadt Rafah an der Grenze zum Gazastreifen mit einer Rakete. Die Aufnahmen zeigen, wie das Projektil mit dem typischen Rauchschweif auf das Schiff zufliegt und es beim Einschlag in einen Feuerball hüllt. Mutmaßlich benutzten die Angreifer eine gelenkte Panzerabwehrrakete.

Es ist der vierte Angriff seit Anfang Juni mit einer solchen Waffe, zu dem sich die Gruppe bekennt. Aufnahmen, die den Beschuss eines Panzers bei Scheich Zuweid zeigen sollen, hatte sie erst am Mittwoch publik gemacht. Trifft all dies zu, verfügen die Terroristen offenbar über ein größeres Arsenal dieser Waffen. Bekannt ist, dass Militante in Libyen, die sich zum Islamischen Staat bekennen, Raketen des russischen Typs Kornet verschafft haben, während die "Provinz Sinai", im November 2014 hervorgegangen aus der Terrorgruppe Ansar Beit el-Maqdis, bislang nicht über solche Waffen verfügte. Das würde eine Kooperation nahelegen. Auch Militante in Gaza haben diese Waffen eingesetzt.

Zudem ist ein Raketenangriff auf ein Schiff eine Eskalation, die Fragen nach der Sicherheit der Schifffahrt aufwirft. Ägyptens wichtigster Devisenbringer ist der Suez-Kanal, den das Militär streng bewacht. Mit einer Panzerabwehrrakete ließe sich ein Handelsschiff kaum versenken, aber Angriffe dort könnten zu Behinderungen führen und Reedereien dazu bewegen, aus Sicherheitsgründen den Kanal zu meiden. Ägypten hat diesen gerade zweispurig ausgebaut, was kürzere Passagezeiten und erhebliche Mehreinnahmen bringen soll.

Bereits im November hatte es vor Damiette einen Zwischenfall mit einem Patrouillenboot gegeben. Die Besatzung wurde für vermisst erklärt; was geschehen ist, kam nie ans Licht. Die Behörden verhängten eine Nachrichtensperre. Es hieß erst, Schmuggler hätten das Schiff beschossen, doch gab es auch Hinweise, der Kapitän habe das Schiff in seine Gewalt zu bringen versucht, worauf die Armee es versenkte.

Die Regierung in Kairo versucht, mit einem neuen Antiterror-Gesetz sicherzustellen, dass Medien bei Terrorangriffen nur die offizielle Version der Geschehnisse verbreiten. Zwar hat das Kabinett die Androhung von zwei Jahren Haft als Mindeststrafe in dem Entwurf abgemildert. Doch würde noch immer jeder Geldstrafen zwischen umgerechnet 23 000 und 59 000 Euro riskieren, der Angaben über Anschläge verbreitet, die denen der Behörden widersprechen.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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