Ägypten:Empörung über Urteil

Lesezeit: 1 min

Nach dem Todesurteil gegen Ägyptens Ex-Präsidenten Mohammed Mursi sprechen Menschenrechtler von einem "grob unfairen Verfahren" und "kompletter Missachtung der Menschenrechte". Die Bundesregierung gerät indes unter Rechtfertigungszwang.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Auf die Todesurteile gegen Ägyptens Ex-Präsidenten Mohammed Mursi sowie führende Funktionäre der Muslimbruderschaft haben westliche Regierungen besorgt reagiert, Menschenrechtler äußerten scharfe Kritik. Das US-Außenministerium teilte mit, es habe sich immer wieder gegen Massenverfahren und -urteile gewandt. Sie seien weder mit Ägyptens internationalen Verpflichtungen noch den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bekräftigte bei einem Besuch in Jordanien, dass Deutschland die Todesstrafe grundsätzlich ablehne. Wie jüngst bei seinem Besuch in Kairo sagte er, dass "wir von der ägyptischen Justiz erwarten, dass sie nach Recht und Gesetz handelt, und nicht nach politischen Maßstäben". Ob das hier geschehen sei, müsse nun geklärt werden. Amnesty International kritisierte, das "grob unfaire Verfahren" zeige den "bedauernswerten Zustand der Strafjustiz" und die "komplette Missachtung der Menschenrechte".

Die Bundesregierung gerät wegen des Urteils unter Rechtfertigungszwang mit Blick auf den geplanten Besuch von Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in Berlin. Nachdem der Großmufti, die oberste religiöse Autorität des sunnitischen Islam, seine Stellungnahme zu dem vorläufigen Urteil abgegeben hat, will das Gericht am 2. Juni seinen endgültigen Spruch bekannt geben. Tags darauf soll Sisi Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen, die Ende Januar 2013 auch schon Sisis nun verurteilten Vorgänger Mursi empfangen hat.

Die Richter sprachen Mursi im Zusammenhang mit dem Ausbruch Tausender Häftlinge aus dem Gefängnis von Wadi Natrun im Januar 2011 wegen Mordes und versuchten Mordes an Polizisten schuldig, überdies wegen Gefängnisausbruchs und Brandstiftung an Regierungsgebäuden. 105 von den 130 Mitangeklagten Mursis erhielten ebenfalls die Todesstrafe. Dagegen sind Rechtsmittel möglich.

In einem anderen Prozess wegen Spionage und Weitergabe von Informationen an ausländische Mächte vertagten die Richter das Urteil gegen Mursi, das für den Ex-Präsidenten erneut die Todesstrafe bedeuten könnte. Zum Tode verurteilt wurden in diesem Fall hingegen Mohammed el-Beltagy, der Generalsekretär der mit der Muslimbruderschaft verbundenen Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, sowie Khairat el-Schater, Vizechef der Bruderschaft, sowie 14 weitere von insgesamt 35 Angeklagten.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: