Ägypten:Blamage für al-Sisi

Lesezeit: 2 min

(Foto: sz grafik)

Das oberste Verwaltungsgericht verbietet der ägyptischen Regierung die umstrittene Rückgabe zweier Inseln an Saudi-Arabien - gegen den Wunsch des Präsidenten.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Das oberste Verwaltungsgericht in Ägypten hat am Montag letztinstanzlich die Übertragung zweier unbewohnter Inseln im Roten Meer an Saudi-Arabien untersagt. Die Entscheidung ist die wohl schwerste politische Niederlage und eine Blamage für Präsident Abdelfattah al-Sisi und seine Regierung. Sie birgt das Potenzial, die angespannten Beziehungen zu der Golfmonarchie weiter zu verschlechtern. Die Regierungen beider Länder hatten jahrelang über die Rückgabe von Tiran und Sanafir verhandelt. Nach ihrer übereinstimmenden Ansicht hatte Saudi-Arabien die Inseln 1950 Ägypten überlassen, das sie gegen eine Invasion Israels verteidigen sollte. Riad fühlte sich dazu selber nicht in der Lage.

Die Inseln liegen in der strategisch bedeutenden Straße von Tiran vom Roten Meer zum Golf von Aqaba, dem einzigen Zugang Israels (und Jordaniens) zum Roten Meer. Seit 1982 ist auf Sanafir ein Dutzend US-Soldaten stationiert. Diese überwachen, dass das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten eingehalten wird. Für Zivilisten sind die teils verminten Inseln nicht zugänglich, in ihrer Umgebung befinden sich aber Tauchgebiete mit Korallenriffen, die bei Touristen im nahe gelegenen Scharm el-Scheich beliebt sind.

Im April 2016 hatte Präsident Sisi bei einem pompös inszenierten Staatsbesuch des saudischen Königs Salman die Rückgabe der Inseln verkündet. Die überraschte Öffentlichkeit erfuhr damals zum ersten Mal etwas von dem über Jahre ausgehandelten Abkommen zur Demarkation der Seegrenze, das der ägyptische Premier Scherif Ismail und Saudi-Arabiens stellvertretender Kronprinz, Königssohn Mohammed bin Salman, in Kairo unterzeichneten.

Quer durch die politischen Lager regte sich daraufhin Protest gegen die Entscheidung, die viele Menschen als Ausverkauf Ägyptens betrachteten. In Kairo kam es zur größten Demonstration gegen die Regierung seit der Machtergreifung des Militärs im Sommer 2013. Mehrere Tausend Menschen nahmen teil, weitere Proteste unterband der Sicherheitsapparat mit großer Härte. König Salman hatte während des Besuchs Abkommen über neue Hilfen, Kredite, Öllieferungen und Entwicklungsprojekte im Wert von mehr als 20 Milliarden Dollar unterzeichnet und angekündigt, eine Brücke über die Inseln von der Sinai-Halbinsel nach Saudi-Arabien zu bauen.

Die beiden bekannten Menschenrechtsanwälte Khaled Ali und Malek Adly reichten vor dem Verwaltungsgericht in Kairo Klage gegen die Regierung ein. Im Juni hatten die Richter in ihrem Sinne geurteilt; das Obergericht wies nun den Einspruch der Regierung zurück. Eine Reihe bekannter Anwälte unterstützte die Klage. Noch im Gerichtssaal brachen die Kläger in Jubel aus und sangen die Nationalhymne. Vor dem Gerichtsgebäude, das die Polizei abgesperrt hatte, schwenkten Dutzende Menschen ägyptische Fahnen und skandierten: "Brot, Freiheit, und die Inseln sind ägyptisch!", eine Abwandlung des bekanntesten Slogans der Revolutionäre auf dem Tahrir-Platz vom Januar 2011. Anwalt Ali wurde auf Händen aus dem Saal getragen.

Die Regierung hatte noch am 29. Dezember das Abkommen dem Parlament zur Abstimmung zugeleitet, obwohl das Gericht im Juni die Unterschrift des Premiers darunter für nichtig erklärt hatte. Das Kabinett hatte zuvor das Abkommen beschlossen. Es beharrt darauf, dass Außenpolitik und zwischenstaatliche Abkommen nicht der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterliegen, sondern Vorrecht des Präsidenten und des Parlaments sind. Sie könnten nur vom Verfassungsgericht überprüft werden; dort sind Klagen gegen das nun abgeschlossene Verfahren anhängig.

Sollte die Regierung trotz des Urteils das Abkommen weiterverfolgen, könnte dies eine Verfassungskrise heraufbeschwören. Die Mehrheit im Parlament unterstützt den Präsidenten vorbehaltlos. Ob es jedoch angesichts der öffentlichen Stimmung das Abkommen billigen würde, ist offen. Das Gericht urteilte, die Regierung habe keine Belege dafür präsentiert, dass Tiran und Sanafir zu Saudi-Arabien gehörten. Die Souveränität Ägyptens über die Inseln sei absolut und außer Zweifel, urteilten die Richter einstimmig. Aus Saudi-Arabien gab es zunächst keine offizielle Reaktion. In sozialen Netzwerken forderten empörte Saudis aber, Hunderttausende ägyptische Gastarbeiter auszuweisen. Riad hat Ägypten seit Sisis Amtsantritt mit mehr als 20 Milliarden Dollar unterstützt. In Folge einer Reihe politischer Unstimmigkeiten und wegen der Enttäuschung über ausbleibende Wirtschaftsreformen hat Saudi-Arabien Kairo aber verbilligte Öllieferungen und andere Hilfen gestrichen.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: