Abschiebung:Bivsi Rana will heim

12 06 2017 DU Duisburg Schüler Eltern und Lehrer vom Steinbart Gymnasium demonstrieren für d

Schüler, Eltern und Lehrer des Steinbart-Gymnasiums demonstrierten vorige Woche für die Rückkehr der abgeschobenen Schülerin Bivsi Rana.

(Foto: Christoph Reichwein/imago)
  • Die 15-jährige Bivsi Rana wird mit ihren Eltern nach Nepal abgeschoben - obwohl es für sie ein fremdes Land ist.
  • In Duisburg hat die Abschiebung des Mädchens eine Welle der Empörung ausgelöst.
  • Selbst Politiker in Berlin und Düsseldorf suchen jetzt nach Möglichkeiten, Bivsi wieder heimzuholen - notfalls zunächst alleine, ohne ihre Eltern.

Von Jan Bielicki, Duisburg

Nach Pokhara kommen Touristen gerne. Die 300 000-Einwohner-Stadt, an Nepals zweitgrößtem See gelegen, ist Ausgangspunkt spektakulärer Trekkingtouren ins nahe Annapurna-Massiv und zu anderen Bergriesen des Himalaja. Bivsi Rana ist zum ersten Mal hier, aber nicht freiwillig. "Ich will zurück nach Hause", hat das soeben 15 Jahre alt gewordene Mädchen den Reportern des Fernsehsenders WDR gesagt, die sie in Pokhara besucht haben. Zu Hause, das ist für sie: Duisburg.

Gut drei Wochen ist es her, dass die Schülerin aus ihrer Klasse 9 d des renommierten Duisburger Steinbart-Gymnasiums zum Rektor gerufen wurde. Dort erwarteten sie zwei Beamte des städtischen Ausländeramtes. Bivsi durfte sich noch von ihren beiden besten Freundinnen verabschieden, dann ging es heim zu ihren Eltern und weiter zum Flughafen Frankfurt. Am späten Nachmittag saß die Familie im Flugzeug Richtung Nepal. Bivsi, in Deutschland geboren, in Duisburg aufgewachsen, wurde mit ihren Eltern in das Land abgeschoben, das laut Pass ihre Heimat sein soll - und das sie vorher nie gesehen hat und dessen Amtssprache sie als Angehörige einer ethnischen Minderheit kaum beherrscht.

Die Eltern hatten ihre Asylanträge unter falschem Namen gestellt

Daheim in Duisburg hat die Abschiebung des Mädchens eine Welle der Empörung ausgelöst. Vor einer Woche zogen Hunderte Demonstranten, darunter viele Mitschüler und deren Eltern, vor das Rathaus. "Bring Bivsi back", skandierten sie. Am Dienstag wurden die Schülersprecherin Sarah Habibi und Stephan Kube, der Vorsitzende der Elternvertretung, im Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtags angehört. "Wir wollen erreichen, dass die Familie Rana so schnell wie möglich zurückkommen kann", sagt Kube.

Es ist ein schwieriger Kampf gegen den unmenschlich erscheinenden Abschluss eines Asylverfahrens, das schon begonnen hatte, als das Mädchen noch nicht einmal geboren war. Bereits 1998 kam Bivsis Vater nach Deutschland und beantragte Asyl, drei Jahre später folgte ihre Mutter. Politisch verfolgt waren sie nicht, aber in dem bitterarmen Land tobte damals ein Bürgerkrieg, dem bis 2006 fast 17 000 Menschen zum Opfer fielen.

Der Asylantrag der Ranas wurde abgelehnt, es folgte ein juristisches Hickhack, das in der Ausländerbehörde bis heute 18 Aktenordner füllt. Ein entscheidender Punkt dabei: Angeblich in der Absicht, Angehörige zu schützen, hatten Bivsis Eltern ihre Asylanträge unter falschem Namen gestellt, wie sich später herausstellen sollte. "Es war der Fehler meines Lebens", sagte der Vater dem WDR.

"Es war alles völlig rechtens"

Die Täuschung verhinderte, dass die Familie auf Regeln bauen konnte, die lange hier lebenden und gut integrierten Ausländern ein Bleiberecht zugestehen. Es nutzte ihm nichts, dass er als Koch seit 2001 Steuern und Sozialabgaben zahlte, dass sein Sohn, mit eigenem Visum, in Osnabrück studierte und seine Tochter aufs Gymnasium ging. Alle Gerichtsinstanzen bestätigten: Die Ranas müssen ausreisen. Nicht einmal Nordrhein-Westfalens Härtefallkommission, in der auch Vertreter von Kirchen und Flüchtlingsverbänden sitzen, sprach sich für ein Bleiben der Familie aus.

"Es war alles völlig rechtens", sagt Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD), als er sich vor seinem Rathaus Bivsis Mitschülern stellt, "aber das Ergebnis fühlt sich nicht richtig an." Allerdings nicht nur im Einzelfall Bivsi, meint der Elternvertreter Kube: "Wenn wir so gut integrierte Zuwanderer rauswerfen, ist das kein Zeichen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes."

Nun suchen Politiker in Berlin, Düsseldorf und Duisburg nach Möglichkeiten, Bivsi wieder heimzuholen - notfalls zunächst alleine, ohne ihre Eltern. An Geld und Bürgen für das Mädchen werde das nicht scheitern, sagt Kube. Doch die juristischen Hürden sind hoch, so gilt etwa für Abgeschobene regelmäßig eine Wiedereinreisesperre. Die derzeit ins Auge gefasste Lösung: Wenigstens Bivsi selber könnte womöglich ein Ausbildungsvisum erhalten. Das Mädchen mag sich zwar nicht vorstellen, ohne ihre Eltern leben zu müssen, sie würde es aber wohl tun, sagt sie schluchzend vor der Kamera. Eine Alternative hätte sie ohnehin kaum.

In einem Zimmer einer Tante haben die Ranas Unterschlupf gefunden, das Ersparte geht zur Neige, Aussicht auf einen Job hat der Vater kaum - und Bivsi mangels Sprachkenntnissen kaum Chancen auf schulische Bildung, befürchtet Stephan Kube, der regelmäßig mit der Familie telefoniert. "Sie weint viel", erzählt er, "sie will heim." Wird sie heimkommen dürfen? Kube zeigt sich optimistisch: "Wir sind auf dem halben Weg."

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