Abgesackt in Umfragen:Angela Merkel - unbeliebt, aber ausdauernd

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Sturheit oder Standfestigkeit? Angela Merkel bleibt ihrer Linie in der Flüchtlingspolitik treu. (Foto: dpa)

Die Kanzlerin wird wegen ihrer Flüchtlingspolitik viel kritisiert. In Umfragen stand sie früher besser da. Trotzdem wird sie im Jahr 2017 wohl wiedergewählt.

Kommentar von Kurt Kister

Es gibt nicht wenige habituelle Nörgler, die sich selbst für die Inkarnation der kritischen Vernunft, Andersdenkende dagegen für den dumpfen Mainstream halten. Nicht nur in diesen Kreisen lautet ein beliebter Vorwurf gegen "die" Politiker so: Die schauen doch nur auf Umfragen.

Angela Merkel kann man viel vorwerfen, allerdings nicht, dass sie ihre Politik nach den Umfragen ausrichten würde. Täte sie das, hätte sie schon vor Monaten gesagt, die sogenannte Grenzöffnung für Flüchtlinge Anfang September 2015 sei eine Ausnahme gewesen und ihre Regierung habe danach Fehler gemacht. So hat es ihr Freundfeind Seehofer, durchaus ein Mann mit der Neigung zur habituellen Nörgelei, immer wieder gefordert; so sieht es mittlerweile, glaubt man den Umfragen, eine Mehrheit der Deutschen.

Weil aber die Bundeskanzlerin nach wie vor der Auffassung ist, dass sie grundsätzlich richtig gehandelt hat, hat sie sich nicht von sich selbst distanziert. Mehr noch: Sie hat ihre Überzeugungen in dieser Frage jüngst durch die Wiederholung ihres Satzes "Wir schaffen das" nur noch mehr betont. Sie hat damit all jene bewusst provoziert, die Merkels liberale Flüchtlingspolitik für ihren größten Fehler halten. Man kann das Sturheit, aber auch Standfestigkeit nennen.

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Merkels Haltung zieht interessante Konsequenzen nach sich. Der meistens verlässliche Deutschlandtrend der ARD sagt, dass ihre persönliche Beliebtheit stark gefallen ist (auf 47 Prozent Zustimmung). Das hängt damit zusammen, dass gut zwei Drittel der Deutschen mit ihrer Flüchtlingspolitik unzufrieden sind - ein Wert, der auch mit dem allgemeinen Unsicherheitsgefühl wegen der Gewalttaten der letzten Wochen zu tun hat.

Betrachtet man allerdings das Ranking der beliebten Politiker, so sind auf den vorderen Plätzen lauter Leute, die gerade Merkels Flüchtlingspolitik aktiv mittragen: Außenminister Steinmeier, Finanzminister Schäuble oder Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Kretschmann.

Revolution nicht in Sicht

Nicht "die" Flüchtlingspolitik erregt offenbar größere Teile des Publikums, sondern die Verbindung der Politik mit der Person Merkel. Und trotz alledem ist immerhin noch fast die Hälfte der Befragten mit Merkel zufrieden. Notabene, beim Deutschlandtrend im August 2002 lag der kurz danach wiedergewählte Kanzler Schröder bei der Zufriedenheit ziemlich genau da, wo heute Merkel liegt.

Auf die Sonntagsfrage hat Merkels persönliches Tief keinen Einfluss. CDU und CSU bleiben mit 34 Prozent weit vor der SPD mit 22 Prozent; die Anti-Merkel-Partei AfD hält sich bei 12 Prozent. Rot-Rot-Grün ist sehr deutlich von einer Mehrheit entfernt; derzeit scheint - außer der großen Koalition - höchstens noch Schwarz-Grün eine mögliche Regierungskonstellation zu sein.

Das allerdings bedeutet, logisch gedacht und nüchtern gerechnet, dass Angela Merkel, wenn sie wieder antritt und sonst nicht Umstürzendes passiert, 2017 für weitere vier Jahre zur Kanzlerin gewählt werden wird.

In der Union zeichnet sich weder ein Putsch ab noch ein ernsthafter Gegenkandidat. Horst Seehofer hat an Popularität gewonnen, aber Kanzlerkandidat wird und will er nicht werden. Ebenso wenig wird Sigmar Gabriel die SPD plötzlich um zehn Prozentpunkte nach vorne peitschen. Eine Revolution findet nicht statt.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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