Weihnachtsbotschaften:Kirchen warnen vor Spaltung der Gesellschaft

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Gottesdienstbesucher sitzen in Berlin bei der Christvesper im  Dom auf Altarstufen. (Foto: dapd)

Die Kirchen nehmen sich in Predigten zum Weihnachtsfest der sozialen Lage an. Sie fordern mehr Gerechtigkeit in Deutschland - aber auch Solidarität mit europäischen Schuldenstaaten wie Griechenland. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx wünscht sich ein Ja-Wort zu Kindern.

Die großen christlichen Kirchen in Deutschland haben zum Weihnachtsfest vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft gewarnt und Solidarität mit Schwächeren angemahnt. So sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch: "Die Armen bleiben zurück, und der Reichtum in der Hand einiger weniger nimmt weiter zu. Das ist eine gefährliche Entwicklung."

Gerade die wohlhabenden Mitglieder der Gesellschaft dürften sich ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen. "Es erscheint mir angebracht, diejenigen stärker in die Pflicht zu nehmen, die über hohe Einkommen verfügen. Steuererhöhungen und Abgaben für Vermögende dürfen kein Tabu sein, wenn es gilt, gesellschaftlich wichtige Aufgaben zu finanzieren." Die soziale Schere dürfe nicht zu weit auseinandergehen, sonst führe das zu Unruhe. "Wir sind der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Jeder Mensch braucht die Chance zu einem menschenwürdigen Einkommen", betont Zollitsch in den Dortmunder Ruhr Nachrichten.

Solidarität mit Griechenland

Der oberste Repräsentant der protestantischen Christen in Deutschland, der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider, betonte, auch hierzulande gerieten zunehmend Menschen ins Abseits und drohten dauerhaft abgehängt zu werden. "Die Weihnachtsbotschaft fordert uns heraus, für diese Menschen die Stimme zu erheben und nach sozialer Gerechtigkeit zu suchen", sagte er in Hannover.

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betonte allerdings auch, dass die Frage der sozialen Gerechtigkeit sich nicht auf Deutschland beschränke. Schneider rief in seiner Botschaft zum diesjährigen Weihnachtsfest zur Solidarität mit dem von der Euro-Schuldenkrise geschüttelten Griechenland und auch mit anderen europäischen Ländern auf. Er betonte: "Europa ist mehr als ein Wirtschaftsraum. Europa ist ein Friedensprojekt."

Ja-Wort zu Kindern

Der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki rief dazu auf, sich aktiv für Frieden und soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Die Menschen dürften nicht die Hände in den Schoß legen und auf den Frieden warten, sagte Woelki in seiner Predigt zum Heiligabend. "Weihnachten will gelebt werden. Weihnachten fordert uns auf, die Ärmel hochzukrempeln und uns für Frieden einzusetzen."

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx macht die seit Jahrzehnten sinkenden Geburtenraten zum Thema seiner Weihnachtsbotschaft. "Ohne das intensive Ja-Wort zu Kindern kann keine wirklich nachhaltige Zivilisation bestehen", sagte Marx. Der Erzbischof von München und Freising forderte die Menschen zum Umdenken auf: "Wir brauchen eine Wende in den Herzen und Köpfen aller, um neu die Lust auf Leben zu entdecken und die Freude, Leben weiter zu geben."

Gerade Christen sollten diese Haltung vorleben. Eine Wende hin zum Leben werde nicht einfach durch Maßnahmen der Familienpolitik geschaffen - so wichtig und notwendig diese auch seien, betonte Marx. Vielmehr sei die "grundsätzliche Bereitschaft" nötig, dem neuen Leben eine wirkliche Priorität einzuräumen.

Die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käßmann, hat zu Weihnachten die um sich greifende Geschäftemacherei beklagt. "In unserer Gesellschaft wird alles kommerzialisiert. Da geht es weniger um Inhalte als um Verkaufsstrategien. Das ist ein Armutszeugnis", kritisierte Käßmann im Mannheimer Morgen. Käßmann befürchtet, dass der christliche Sinn von Weihnachten immer mehr verloren geht. Es sei aber wichtig, dass die Menschen wüssten, dass es um die Geburt des Gottessohnes gehe.

Aus Sicht der Theologin liegt es an uns selbst den eigentlichen Sinn des Weihnachtsfests wiederzufinden. "Das liegt doch sehr stark an uns, ob wir im Advent sagen: Jetzt nehme ich mir Zeit, um eine Kerze anzuzünden, zu lesen, Musik zu hören, Weihnachtskarten zu schreiben. Oder ob wir uns in den Rummel eines Kaufhauses oder Weihnachtsmarkts begeben."

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