NSU-Mordserie:Gauck sichert Familien der Mordopfer Aufklärung zu

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"Ich will mithelfen, dass Ihr Leid wahrgenommen wird": Jahrelang litten die Familien der Opfer der NSU-Terroristen unter falschen Verdächtigungen der Polizei. Nun hat Bundespräsident Gauck Angehörige getroffen. Die Türkische Gemeinde würdigt den Schritt - erhebt aber Vorwürfe gegen Bundesregierung und Innenminister.

Bundespräsident Joachim Gauck hat den Angehörigen der durch die NSU-Terroristen Getöteten umfassende Aufklärung zugesichert. Bei einem Treffen im Schloss Bellevue sagte Gauck, Deutschland dürfe nicht vergessen, was geschehen ist.

"Ich will mithelfen, dass Ihr Leid weiter wahrgenommen und anerkannt wird. Und dass aufgeklärt wird, wo es Fehler und Versäumnisse gegeben hat, dass darüber gesprochen und wenn nötig auch gestritten wird, was wir daraus lernen müssen", sagte Gauck dem schriftlichen Redemanuskript zufolge. "Auch ich war erschrocken darüber, welche Fehler in mancher Behörde möglich waren."

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, hatte am Morgen die Einladung Gaucks an die Angehörigen gewürdigt. "Das ist ein gutes Zeichen, dass der Bundespräsident setzt", sagte Kolat dem RBB-Inforadio. Mit Blick auf die Absage einiger Angehöriger sagte Kolat, Gauck habe deren Anwälte nicht mit eingeladen, damit ein persönliches Gespräch zustande komme.

Einige der Angehörigen hatten die Einladung des Bundespräsidenten ausgeschlagen. Eine der Opferfamilien begründete ihre Absage damit, dass das Bundespräsidialamt ihren Wunsch auf Begleitung durch einen Rechtsanwalt abgelehnt habe. Eine andere Familie argumentierte, dass bei dem Treffen mit mehreren Dutzend Teilnehmern zu wenig Zeit für ein persönliches Gespräch bleibe.

Deutliche Kritik übte Kolat an der Bundesregierung: Ihr warf er mangelndes Engagement bei der Aufklärung der NSU-Morde vor. "Ich erwarte, dass die Bundeskanzlerin eine Sitzung des Bundeskabinetts einberuft, auf der ausschließlich dieses Thema behandelt wird", sagte er. Kolat beschuldigte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Informationen zurückzuhalten. "Es wird praktisch einiges vertuscht, Akten werden geschreddert. Das kann man nicht so hinnehmen."

Hinterbliebene wollen zum Zschäpe-Prozess

Mitte April beginnt der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Sie ist das einzige noch lebende Mitglied des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), dem zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zugerechnet werden - an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin.

Für die Angehörigen der Opfer ist der Prozess von großer Bedeutung. "Viele wollen an jedem Verhandlungstag dabei sein", sagte die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, im ZDF "Morgenmagazin". Die Angehörigen müssten wieder Kontrolle über ihr Leben erlangen, sagte John. "Nun am Prozess teilzunehmen, das ist für sie wichtig, und zu erleben, dass da auch Schuldige gesehen werden und dass die Nation auch sieht, was da eigentlich passiert ist."

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/rela - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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