Mysteriöser Brief von Ägyptens Präsidenten:Herzliche Grüße nach Israel, Ihr Mohammed Mursi

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Ein angeblicher Brief von Ägyptens Präsident Mursi an seinen israelischen Kollegen Peres sorgt für Unruhe. In dem Schreiben soll der Ägypter den Wunsch äußern, den Friedensprozess im Nahen Osten vorantreiben zu wollen. Es wäre nicht das erste Mal, dass in seinem Namen Aussagen verbreitet werden.

Sonja Zekri

Sollte der Brief des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi an seinen Kollegen Schimon Peres in Israel echt sein, er wäre tatsächlich etwas Besonderes. Dass er echt ist, behauptet Israel: Hohe Beamte aus Peres' Büro sagen, das Schreiben sei per Fax aus der ägyptischen Botschaft in Tel Aviv eingetroffen, Schimon Peres betrachte es als ermutigend.

Ein vom israelischen Präsidentenamt verbreiteter Scan des angeblichen Mursi-Briefes an Peres. Das ägyptische Präsidialamt hat die Existenz einer "Friedensbotschaft" von Präsident Mohammed Mursi an seinen israelischen Amtskollegen Schimon Peres dementiert.  (Foto: dpa)

Mursi bedankt sich darin für die guten Wünsche zum Fastenmonat Ramadan, die Peres übersandt hatte. Außerdem gibt er sich erfreut, "dass wir uns anstrengen, um den Friedensprozess im Nahen Osten wieder in die richtige Bahn zu lenken", um, so schreibt Mursi, "Sicherheit und Stabilität für alle Völker in der Region zu erreichen, auch des israelischen Volkes".

Mohammed Mursi ist mit Amtsantritt aus der Muslimbruderschaft ausgetreten, und US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte am Dienstag, Mursi habe "seinen eigenen Kopf" - dennoch gilt er als Vollstrecker der Muslimbruder-Ideologie. Und diese sieht die Anerkennung des Staates Israel nicht vor. Sie wäre in der Tat schwer zu verkaufen, schließlich liefe sie nach der Logik der Islamisten darauf hinaus, dass die Besetzung islamischen Bodens zu rechtfertigen wäre. Und solange die radikalen Islamisten der Hamas im Gaza-Streifen, ein Spross der ägyptischen Muslimbrüder, Israel nicht anerkennen, dürfte die Anerkennung Israels für die ägyptischen Islamisten schwer sein.

Ein schlichtes Schreiben

Im Wahlkampf hatte Mursi versprochen, dass er als Staatschef den Friedensvertrag mit Israel prüfen, aber einhalten werde. Aber Israel nannte er ein "zionistisches Gebilde" und gelobte, israelische Staatsgäste nicht zu empfangen. Entsprechend groß waren die Befürchtungen nach seinem Wahlsieg. Nun reagierte mancher auf israelischer Seite auf das Schreiben erleichtert, ja fast begeistert. Kurz darauf aber folgte aus Kairo das Dementi: Mursis Sprecher Jassir Ali erklärte der Zeitung Al-Ahram, der Präsident habe keinen Brief geschickt, israelische Zeitungen hätten "Fälschungen" gedruckt.

Tatsächlich sieht Mursis Botschaft protokollarisch erstaunlich schlicht aus, jedenfalls die beiden Seiten, die Peres' Büro veröffentlichte. Auf ein Anschreiben der ägyptischen Botschaft folgt ein Blatt mit den vermeintlichen Zeilen Mursis, allerdings ohne Briefkopf und Unterschrift. Korrespondieren so Präsidenten?

Nicht die erste Fälschung

Sollte der Brief gefälscht sein, würde er Erinnerungen an eine Begebenheit wenige Stunden nach der Verkündung von Mursis Wahlsieg wecken: Damals hatte eine iranische Agentur ein vermeintliches Interview veröffentlicht, in dem Mursi die Verbesserung der ägyptisch-iranischen Beziehungen in Aussicht stellte. Nur: Der Mann, der auf einer Tonaufnahme diese Sätze spricht, war nicht Mohammed Mursi.

Die jetzige Verwirrung könnte immerhin Ausdruck diplomatischer Unübersichtlichkeit sein. Premierminister Hischam Kandil will an diesem Donnerstag sein Kabinett vorstellen. Außen- und Finanzminister, so heißt es, sollten im Amt bleiben. Ohnehin regiert Mursi gegen einen Apparat aus der Zeit des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak. Und der allmächtige Militärrat spricht auch ein Wort mit.

Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass diplomatische Quertreiber Mursi brüskieren wollten. Ebenso wenig ausgeschlossen ist, dass der Präsident nach der ersten verblüfften Reaktion auf seinen Brief den Rückzug antrat. Im populistischen Eifer gegen Israel sind die Muslimbrüder nämlich nicht die einzigen: Der liberale Abgeordnete Amr Hamsawi soll im Februar einen Besuch von US-Senator John McCain unter anderem mit Verweis auf dessen "voreingenommene Position gegenüber Israel" abgelehnt haben.

So ist der Brief vielleicht Ausdruck einer Werteverwirrung, wie sie Mursi auch gegenüber Amerika offenbart: Er hat in Kalifornien studiert, zwei seiner Söhne haben die US-Staatsbürgerschaft. An seiner Ablehnung amerikanischer Politik hat dies nichts geändert. Umso erstaunlicher, dass er als Präsident heute für Washington ein salonfähiger Gesprächspartner ist - was wiederum Ägyptens Liberale verbittert: Amerika, so ihr Vorwurf, mache sich mit den Islamisten gemein.

© SZ vom 02.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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