Mögliche Nato-Operation:Opposition warnt vor Bundeswehreinsatz an türkisch-syrischer Grenze

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Die Bundeswehr steht nach SZ-Informationen kurz vor einem Nato-Einsatz an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei - Oppositionspolitiker befürchten, dass sie in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden könnte.

Die deutsche Ausführung des Raketen-Abwehrsystems "Patriot". Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" soll die Bundeswehr die Flugabwehrraketen an der türkisch-syrischen Grenze in Stellung bringen. (Foto: dpa)

Verteidigungsexperten der Opposition warnen vor einem Einsatz deutscher Soldaten an der syrischen Grenze. Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, sagte der Leipziger Volkszeitung, die Grünen wollten mit allen zulässigen parlamentarischen Mitteln "verhindern, dass die Bundesrepublik in einen völkerrechtswidrigen Syrien-Krieg hineinschliddert".

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte solche Bedenken bereits am vergangenen Donnerstag bei einem Außen- und Verteidigungsministertreffen in Paris zurückgewiesen: "Das dient einzig und alleine - wenn man es machte - dem Schutz der Türkei und wäre keinerlei Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg". Ob der Bundestag dem Einsatz zustimmen müsste, ist noch unklar. Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung hat de Maizière bereits vor zwei Wochen intern den Bundestag über eine möglichst mit den Niederländern zusammen zu führende "Patriot"-Mission unterrichtet.

N ach SZ-Informationen will d ie Bundeswehr ein oder zwei Patriot-Staffeln und bis zu 170 Soldaten zum Schutz der Türkei an die türkisch-syrische Grenze abkommandieren . Am kommenden Montag will die Türkei demnach eine offizielle Bitte an das Militärbündnis Nato richten. Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte den Bericht am Samstag nicht, bislang habe es keine Anfrage der Nato gegeben. Sollte Deutschland allerdings eine solche Bitte erhalten, werde man diese im Rahmen der Bündnisverpflichtung prüfen.

Nouripour sagte der Leipziger Volkszeitung, sobald die offizielle Anfrage der Türkei vorliege, werde man "als erstes eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestages beantragen". Seine Schlussfolgerung: "Die Bundesregierung hat nach der Abwehr der Unterstützungs-Anfrage im Libyen-Konflikt nicht mehr die Kraft, zu internationalen Anforderungen Nein zu sagen." An den Luftangriffen auf das nordafrikanische Land wollte sich die Bundesregierung im vergangenen Jahr nicht beteiligen und enthielt sich auch bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat dazu.

Zudem sagte Nouripour, dass für den "Patriot"-Einsatz in jedem Fall ein Bundestagsmandat notwendig wäre. Er verwies außerdem darauf, dass die Syrer bisher in der Regel mit Mörser-Feuer türkisches Grenzgebiet erreicht hätten. "Abwehrraketen vom Typ 'Patriot' können aber gegen Mörserbeschuss gar nichts auszurichten." Das Raketenabwehrsystem sei, entgegen der Darstellung des Verteidigungsministeriums, "kein defensives System, sondern ein offensives Instrument, das Deutschland im Einsatzfall ganz schnell zur Kriegspartei machen würde".

"Absolut inakzeptabel"

Und auch aus den Reihen von SPD und Linken kommt Kritik: Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold forderte zwar "eine offene Debatte über mögliche Szenarien", der syrische Bürgerkrieg legitimiere keinen Raketeneinsatz, sagte Arnold dem Nachrichtenmagazin Spiegel.

Die Linke bezeichnete einen etwaigen Bundeswehreinsatz an der türkisch-syrischen Grenze als "absolut inakzeptabel". "Allein nur die Ankündigung dieser Maßnahme wird die Gewaltspirale weiter anheizen und den Hass, sowie die Bereitschaft zur Gewalt aller am Konflikt beteiligten Parteien weiter schüren", sagte Parteivorstandsmitglied Wolfgang Gehrcke. "Ich fordere die Bundesregierung mit allem Nachdruck auf, den Bundestag sofort um ein Mandat zu ersuchen."

Die türkische Regierung hat schon vor elf Tagen angekündigt, dass sie sich die Unterstützung des Bündnisses mit Luftabwehrraketen wünscht. Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der Nato, dem größten Militärbündnis der Welt mit 28 Mitgliedstaaten.

Seit dem Frühjahr ist es immer wieder zu Zwischenfällen an der türkisch-syrischen Grenze gekommen. Anfang Oktober schlugen drei Granaten in dem türkischen Grenzdorf Akcakale ein und töteten eine Mutter und ihre vier Kinder. Der türkische Generalstabschef hatte damals gedroht, die Türkei werde bei wiederholten Angriffen heftiger reagieren als nur zurückzuschießen. Und ein Abgeordneter der Regierungspartei AKP sagte: "Wenn die Türkei will, dann sind wir in drei Stunden in Damaskus."

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/fzg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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