Muslimbrüder gegen Oppositionelle:Straßenschlachten erschüttern Kairo

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Sie prügeln mit Stöcken aufeinander ein, werfen Steine und Molotowcocktails: Die Auseinandersetzungen zwischen Muslimbrüdern und ägyptischer Opposition in Kairo eskalieren. Die Justiz geht jetzt gegen die Opposition vor: Friedensnobelpreisträger ElBaradei soll wegen Spionage und Verschwörung angeklagt werden.

Der Machtkampf in Ägypten entlädt sich einmal mehr auf der Straße: Einen Tag nach dem Massenprotest gegen den ägyptischen Staatschef Mohammed Mursi liefern sich Gegner und Anhänger des Präsidenten vor dem Regierungssitz in Kairo erneut Straßenschlachten. Die jüngsten Krawalle begannen, als Tausende Islamisten die Gegend um den Palast stürmten, wo 300 Gegner Mursis einen Sitzstreik abhielten.

Die beiden Seiten bewarfen sich gegenseitig mit Steinen und schlugen mit Stöcken aufeinander ein. Auch Brandbomben sollen Angaben zufolge explodiert sein. Wie der Fernsehsender al-Dschasira meldet, sollen zwei Menschen getötet worden sein. Angaben des Gesundheitsministeriums zufilge wurden 126 Menschen verletzt. ( Hier ein Live-Update der Ereignisse) Reporter berichten, die Islamisten seien auch auf Journalisten losgegangen. Mehrere radikale Islamisten drohten den Oppositionellen mit einem "Heiligen Krieg", falls diese ihre "Sabotagepolitik" gegen Staatspräsident Mursi fortsetzen sollten.

Aus Protest gegen die Gewalt haben drei Berater des ägyptischen Präsidenten ihren Rücktritt erklärt. Der Politologe Seif Abdel Fatah verkündete seinen Rücktritt am Abend in einem tränenreichen Interview mit al-Dschasira live. Er erklärte, die komplette Elite des Landes sei eigennützig und habe nicht die Interessen der Bevölkerung im Blick. Die Kairoer Tageszeitung Al-Shorouk meldete, auch Eiman al-Sajed und der Fernsehmoderator Amr al-Laithi hätten sich aus dem Beratergremium zurückgezogen.

"Äußerste Gewalt" gegen Opposition

Polizisten und Demonstranten: Muslimbrüder und Oppositionelle liefern sich Straßenschlachten (Foto: AFP)

Die ägyptischen Islamisten wollen ihr umstrittenes Verfassungsreferendum Mitte Dezember über die Bühne bringen - koste es was es wolle. Vizepräsident Mahmud Mekki sagte während einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Kairo: "Der Termin für das Referendum am 15. Dezember steht fest und wird nicht verschoben." Der Generalsekretär der Partei für Unversehrtheit und Entwicklung, Mohammed Abu Samra, sagte in einem Interview des Nachrichtensenders Al-Arabija: "Wenn sie sich gegen die Legitimität stellen, dann werden wir äußerte Gewalt anwenden".

Er fügte hinzu: "Wir sind keine Muslimbrüder und auch keine Salafisten, wir sind Dschihadisten." Der für seine radikalen Ansichten bekannte Fernsehprediger Abdullah Badr sagte in einer Talkshow des ägyptischen Islam-Senders Al-Hafez, die Christen seien es, die den Protest gegen Präsident Mohammed Mursi anführten. "Und wenn ihm auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann reißen wir ihnen die Augen aus", drohte er.

Islamisten wollen Opposition per Justiz ausschalten

Die Unterstützer des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi wollen seine Gegner jetzt auf dem Umweg über die Justiz ausschalten. Der von Mursi im November ernannte Generalstaatsanwalt Talaat Ibrahim Abdullah ordnete Ermittlungen gegen Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei, gegen den früheren Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, sowie gegen mehrere andere führende Oppositionspolitiker an. Das verlautete aus Justizkreisen in Kairo.

Grundlage für die Ermittlungen ist eine Anzeige des früheren Parlamentariers Mohammed al-Omda. Dieser hatte gegen die beiden Politiker sowie gegen den Vorsitzenden der Wafd-Partei, Sajjid al-Badawi, und den linken Aktivisten Hamdien Sabbahi Anzeige wegen "Aufstachelung der Bürger zum Umsturz" erstattet. Am Dienstag hatte der Generalstaatsanwalt bereits eine Anzeige wegen "Spionage für Israel" gegen die gleichen vier Politiker und den Vorsitzenden der Berufsgenossenschaft der Richter, Ahmed al-Sind, an die Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichts weitergeleitet. In der Anzeige, die der Anwalt Hamed Sadek eingereicht hatte, wird den fünf Männern vorgeworfen, sie hätten mit der früheren israelischen Außenministerin Zipi Livni ein Komplott geschmiedet, um "interne Krisen" in Ägypten zu provozieren.

Clinton fordert Dialog

Angesichts der politischen Spaltung in Ägypten drang US-Außenministerin Hillary Clinton auf einen Dialog zwischen Regierung und Opposition. Sie forderte die Machthaber in Kairo auf, das "demokratische Versprechen der ägyptischen Revolution" einzulösen.

Der schon seit Monaten schwelende Konflikt zwischen den regierenden Islamisten und der säkularen Opposition war in den vergangenen zwei Wochen eskaliert, nachdem der islamistische Staatschef seine Machtbefugnisse auf Kosten der Justiz ausgeweitet hatte. Als die Islamisten dann auch noch einen Verfassungsentwurf vorlegten, der die Rolle der islamischen Religionsgelehrten im Gesetzgebungsprozess aufwertet und die Rechte der Frau infrage stellt, schwoll die Protestwelle der liberalen Gruppen weiter an.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/dapd/Reuters/jasch - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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