Gesetz gegen Kinderpornographie:Zickenkrieg im Kabinett

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Dass sich die Bundesministerinnen von der Leyen und Zypries nicht mögen, ist bekannt. Wie schlimm es wirklich ist, zeigt sich ausgerechnet an einem der heikelsten Gesetzesvorhaben der Koalition.

Thorsten Denkler, Berlin

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kann einem an diesem Vormittag etwas leidtun. Beinahe hilflos muss der Bundeswirtschaftsminister mitanhören und mitansehen, wie seine beiden Kabinettskolleginnen Ursula von der Leyen (CDU) und Brigitte Zypries (SPD) sich - immer lächelnd - eine gute Dreiviertelstunde lang angiften, anätzen und, mal unterschwellig, mal offensichtlich, gegenseitig die Kompetenz absprechen. Augenrollen inklusive.

Brigitte Zypries und Ursula von der Leyen: (Foto: Foto: AP)

Dabei sollte sie wohl eine Pressekonferenz der großen Einigung sein nach einem monatelangen, erbittert geführten Streit. Richtig ist: Es gibt jetzt einen abgestimmten und von allen anwesenden Kabinettsmitgliedern für gut befundenen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem der Zugriff auf kinderpornographische Seiten erschwert werden soll. Deswegen aber das Kriegsbeil zu begraben, das kommt an diesem Morgen weder von der Leyen noch Zypries in den Sinn.

Es beginnt schon mit den an sich obligatorischen Dankesformeln, die es immer gibt, wenn es einen neuen Gesetzesentwurf zu präsentieren gilt. Guttenberg, als Wirtschaftsminister zuständig für das Telemediengesetz, mit dessen Hilfe die einschlägen Seiten gesperrt werden sollen, lobt noch ausdrücklich das Engagement beider Ministerinnen. Von der Leyen lobt namentlich nur noch Guttenberg, obwohl der in der Debatte kaum in Erscheinung getreten ist. Ansonsten dankt sie süffisant "allen Beteiligten". Zypries würdigt sie dabei keines Blickes. Die Justizministerin dankt danach gar keinem mehr.

Von der Leyen erklärt, dass jetzt endlich das Thema Seitensperrung in Angriff genommen worden sei. Das sei schon vor zehn Jahren geplant gewesen, also "längst überfällig".

Zypries hingegen erklärt, dass nicht erst jetzt etwas gegen Kinderpornographie unternommen werde. Die rot-grüne Vorgängerregierung habe das Strafrecht bereits massiv verschärft. Heute sei schon der Versuch strafbar, sich kinderpornographisches Material zu beschaffen. Seitensperrung stelle da lediglich eine Ergänzung dar. Und außerdem: "Wenn wir diesen Sumpf trockenlegen wollen, dann müssen wir ihn vor allem in anderen Ländern trockenlegen." Mit anderen Worten: Werte Kollegin von der Leyen kämpft an der falschen Front.

Nicht mal in Fachfragen sind sich die beiden Ministerinnen einig. Etwa in der Frage der möglichen Strafverfolgung. Zypries erklärt: Der Gesetzentwurf lässt zu, dass Ermittler mittels der IP-Adressen verfolgen können, wer versucht, auf gesperrte Seiten zu gelangen. Allerdings würden die Daten nicht gespeichert. Die Ermittler könnten jedoch stichprobenartig in Echtzeit versuchte Seitenzugriffe beobachten und dann zur Anzeige bringen.

Von der Leyen hingegen sagt, die Ermittler würden in der Lage sein, Verhaltensmuster einzelner Nutzer zu erkennen. Wer also öfter auf eine Seite zugreift, wird eher mit Strafverfolgung rechnen müssen, als der, dessen IP-Adresse nur einmal zufällig auftaucht. Das aber würde die Speicherung der Daten voraussetzen, die Zypries gerade ausgeschlossen hat.

Außerdem sei das "Anklicken einer Seite an sich noch nicht strafbar", befindet von der Leyen. Dabei hatte Zypries doch gerade erklärt, schon der Versuch sei strafbar, auf so eine Seite zu kommen.

Unstimmig war auch die jeweilige Bewertung der Verträge, die von der Leyen mit den wichtigsten Providern des Landes abgeschlossen hat. Diese hatten sich so verpflichtet, kinderpornographische Seiten zu sperren.

Zypries hatte von Anfang an rechtliche Bedenken gegen die Verträge. Sobald die Nutzer keine reelle Chance mehr hätten, einen Provider zu finden, der keine Seiten sperrt, sei das ein Grundrechtseingriff in die Informationsfreiheit, sagt Zypries. Bisher sei das nur deshalb kein Problem, weil von der Leyen mit den Verträgen lediglich 75 Prozent des Marktes erreicht habe.

Wie zum Trotz vekündet von der Leyen nun, dass zwei weitere Provider die Verträge unterzeichnen wollten. Damit sei der Markt zu weit über 90 Prozent abgedeckt. Nach Zypries' Rechtsauffassung ein klarer Rechtsbruch.

Beide scheinen sich inzwischen nicht die Butter auf dem Brot zu gönnen. Zypries nimmt für sich in Anspruch, von Anfang an auf ein eigenes Gesetz gepocht zu haben, das ja nun auch vorliege. Von der Leyen stichelt: Dass es ein Gesetz geben müsse, habe sich erst aus ihren harten Verhandlungen mit den Providern ergeben.

Auf die Frage, ob die Justizministerin das genauso sehe, antwortet Zypries lächelnd, das könne sie nicht sagen, sie sei bei den Verhandlungen nicht dabei gewesen. Von der Leyen ätzt zurück, es sei "ausgesprochen hilfreich gewesen, dass das Justizministerium auf der Arbeitsebene dabei war".

Seltsam bleibt, dass von der Leyen nach wie vor an den Verträgen festhält. Die Provider müssen nämlich erst in spätestens sechs Monaten die Seitensperrung technisch umgesetzt haben. Dann aber soll auch das Gesetz in Kraft treten, das diese Verträge, wie von der Leyen einräumt, "null und nichtig" macht.

Zypries geht darauf gar nicht mehr ein. Angesprochen, ob sie noch etwas zu sagen wünsche, sagt sie nur: "Nee, ich will gehen." Das macht sie dann auch wenige Minuten später. Nur Guttenberg bekommt zum Abschied ein Lächeln geschenkt. Von der Leyen spricht einfach noch einige Minuten weiter.

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