Afghanistan nach Abzug der Alliierten:Taliban versprechen Mäßigung

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Öffentliche Hinrichtungen, Unterdrückung der Frauen, totale Kontrolle des öffentlichen Lebens - Markenzeichen der Taliban-Herrschaft in Afghanistan. Doch jetzt geben sich die radikalen Islamisten versöhnlich. Sie erklären, wie sie sich Afghanistan nach dem Ende des Nato-Einsatzes vorstellen. Doch wer soll ihnen glauben?

Afghanistan mit ungewisser Zukunft: Kind in Kandahar in einem Karton des Hilfswerkes UNHCR (Foto: REUTERS)

Mit Terror herrschten die Taliban von 1996 bis 2001 in Afghanistan. Eine strikte Umsetzung der Scharia war höchstes Gebot. Aus dem Sportstadion in Kabul wurde ein Ort des Horrors, an dem Menschen in aller Öffentlichkeit hingerichtet wurden. Inklusive Steinigungen. Frauen verloren ihre Rechte, wer westliche Musik oder gar Filme konsumierte, riskierte furchtbare Strafen. Doch jetzt versprechen die eifernden Koranschüler Toleranz und Mäßigung.

Sind sie geläutert? Bestimmt nicht, aber nun gibt es erste Anzeichen dafür, dass sie nach Abzug der Alliierten wieder in Afghanistan mitmischen wollen. Ranghohe Vertreter der radikalen Islamisten haben sich auf einer Konferenz in Paris für eine Teilung der Macht in Afghanistan ausgesprochen. In einer am Wochenende verbreiteten Mitteilung erklärten sie sich bereit, in einer Regierung mitzuwirken, die alle Afghanen vertrete. Sie versprechen Toleranz und Frieden, pochen aber auf eine neue Verfassung nach islamischen Prinzipien.

Die Taliban-Repräsentanten, die laut einer Mitteilung nach der Konferenz mit Zustimmung des Taliban-Führers Mullah Omar auftraten, waren am Donnerstag und Freitag in Paris mit Vertretern der Regierung in Kabul, afghanischen Parlamentariern und Oppositionellen zusammengekommen. Mullah Omar, der in Pakistan vermutet wird, achte seine politischen Gegner. "Er verlangt ein gegenseitiges Verständnis und fordert sie auf, sich ihm bei der Verteidigung des Landes anzuschließen", heißt es in der Mitteilung.

Für die New York Times ist die Mitteilung das substanziellste Friedensangebot, das die Taliban bisher gemacht haben. Die Bereitschaft an einer Koalitionsregierung mitzuarbeiten, zeige, dass die Taliban sich von ihrem Alleinherrschafts-Anspruch in Afghanistan verabschiedetet hätten. Jetzt sehe sich die Taliban eher als eine politische Fraktion unter Vielen, statt den Machtverlust nach der Invasion 2001 rückgängig machen zu wollen.

"Achtung der Rechte der Frauen, die der Islam ihnen zugesteht"

Die Taliban-Vertreter fordern eine Verfassung, die auf "islamischen Prinzipien, nationalen Interessen, sozialer Gerechtigkeit und historischen Errungenschaften" beruhe und gleiche Rechte für alle ethnischen Gruppen garantiere. Die derzeitige Verfassung sei unter dem Druck der alliierten Truppen im Land geschrieben worden und daher nicht akzeptabel.

Außerdem erklären die Koranschüler, sie achteten "die Rechte der Frauen, die der Islam ihnen zugesteht". Eine Frau verfüge im Islam über das Recht zu heiraten, habe ein Besitzrecht, Erbrecht sowie ein Recht auf Bildung und Arbeit. Alles andere ist Interpretation. Seit die Taliban von US-geführten Truppen aus Kabul vertrieben wurden, bekämpfen sie die vom Westen unterstützte afghanische Regierung. "Ausländer und die Regierung in Kabul sind nicht am Frieden interessiert", heißt es in dem Papier, das nach der Konferenz veröffentlicht wurde, weiter.

Ernst genommen werden kann das Angebot der Taliban nur, wenn sich die gemäßigten Kräfte innerhalb der Gruppierung durchsetzen. Dies sei allerdings noch nicht sicher, schreibt die NYT. Gerade der militärische Arm der Taliban ist zunehmend unzufrieden mit der politischen Führung der Islamisten. Dies berichtet die New York Times unter Berufung auf den der Taliban nahestehenden Kreisen.

Allerdings gäbe es Anzeichen dafür, dass der Militär-Kommandant der Taliban Mullah Zakir, an Einfluss verliert. An seine Stelle soll der - Berichten zufolge - relativ moderate Mullah Akhtar Mohammed Mansour rücken, der ein enger Vertrauter von Taliban-Chef Omar sein soll. Mansour habe auch die Gespräche in Paris maßgeblich mitgesteuert, schreibt die NYT.

Die Nato will ihren Kampfeinsatz in Afghanistan Ende 2014 beenden, danach sollen Soldaten nur noch zur Beratung und Ausbildung von afghanischen Streitkräften im Land bleiben.

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