Wikileaks:"So etwas möchte ich nicht noch einmal durchstehen müssen"

Lesezeit: 2 min

Das erste offizielle Foto von Chelsea Manning nach der Haftentlassung. (Foto: CHELSEA MANNING)

Whistleblowerin Chelsea Manning spricht erstmals öffentlich über die Strapazen im Gefängnis, die erste Zeit in Freiheit - und darüber, dass ihr Kampf noch nicht vorbei ist.

Von Lea Kramer

35 Jahre Gefängnis. Das war das Urteil, das Chelsea Manning für die Weitergabe von Militärinformationen an die Medien erhielt. Damit hatte die niedrigrangige Nachrichtenanalytikerin einen der größten Militär-Skandale der Vereinigten Staaten ausgelöst. Sieben Jahre verbrachte sie hinter Gittern, bis der frühere US-Präsident Barack Obama die Haftzeit der Whistleblowerin im Januar kurz vor dem Ende seiner Amtszeit herabsetzte. Seit 17. Mai ist sie frei.

Sieben Jahre saß Männing im Gefängnis. Noch nie hat ein Hinweisgeber in den USA eine längere Haftstrafe verbüßen müssen. Manning wurde während dieser Zeit gefoltert, lebte in Isolationshaft und musste um die Behandlung ihrer Geschlechtsidentitätsstörung austragen.

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Antworten darauf gibt sie erstmals nach ihrer Entlassung Mitte Mai in einem TV-Interview mit A BC News. "Es ist ein Kulturschock für jeden unter diesen besonderen Umständen, so etwas durchzumachen", sagt sie über die erste Zeit außerhalb der Gefägngnismauern. Die ersten Tage hatte Manning auf ihrem Twitter- und Instagram-Account dokumentiert.

Viel ist dort noch nicht zu sehen: Zwei Füße, gepackt in nagelneue Chucks - dem Kultschuh der Jugend, Sinnbild für Rebellion und Individualität - gehen über braune Holzdielen. Daneben steht: erste Schritte in Freiheit. Das nächste Bild zeigt ein Stück Pizza. Sorte? Salami, der Inbegriff amerikanischer Fast-Food-Kultur. Dazu kommen Schnappschüsse vom Champagnertrinken, Konsolespielen mit Freunden sowie einer morgendlichen Coffee-to-go-Routine.

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Das banale Leben eines Millennials, richtig?

Mitnichten, denn während Manning hier versucht, Normalität abzubilden, kämpft sie abseits der sozialen Netzwerke um Gerechtigkeit. Mit Hilfe von Menschenrechtsanwälten strebt sie eine Wiederaufnahme ihres Verfahrens an. Denn obwohl sie vorzeitig entlassen wurde, äußert sie Kritik an der Dauer ihrer Haft sowie den Bedingungen.

Manning, eine transgender Obergefreite der US-Armee, saß im Militärgefängnis, weil sie etwa 700 000 Dokumente über den Krieg in Irak und Afghanistan an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben hatte. Im Mai 2010 wurde sie, damals noch als Mann namens Bradley, auf einem Stützpunkt nahe Bagdad festgenommen. Nach ihrer Verurteilung durch ein Militärgericht im Jahr 2013 kündigte Manning an, sich fortan Chelsea nennen zu wollen und zukünftig als Frau leben zu wollen. Im April 2014 genehmigte ein US-Gericht die Namensänderung. Im Februar 2016 erlaubte die US-Armee ihr eine Hormonbehandlung zur Geschlechtsangleichung.

Zu spät, wie Manning nun erklärt. Ihre Not sei so groß gewesen, dass sie zwei Suizidversuche unternommen habe. Der Streit um die Hormontherapie "ist sprichwörtlich, das, was mich am Leben hielt". Er habe ihr dabei geholfen, sich nicht im falschen Körper zu fühlen. "Ich habe immer dieses schlimme Gefühl bekommen, dass ich meinen Körper auseinanderreißen will. So etwas möchte ich nicht noch einmal durchstehen müssen."

Tränenreiche Danksagung an Obama

Dennoch bekräftigte Manning in dem Interview ihren Respekt für die Streitkräfte. "Das Militär ist vielfältig, groß und öffentlich. Es hat eine öffentlich Funktion, es hat einen öffentlichen Auftrag." Die Menschen im Militär würden sehr hart arbeiten, oft für wenig Geld, um ihr Land besser zu machen und es zu schützen.

Über die Gründe für ihre Veröffentlichungen wiederholte sie das, was sie schon dem Mann erzählt hatte, der sie später an die US-Behörden verraten sollte: "Ich wollte, dass die Menschen die Wahrheit sehen. Denn ohne Informationen kann die Öffentlichkeit keine informierten Entscheidungen treffen." Sie habe eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit gespürt. "Niemand hat mir gesagt, dass ich das tun soll. Das war ich", sagte die 29-Jährige. Sie habe nicht geglaubt, mit der Weitergabe von Dokumenten die nationale Sicherheit der USA zu gefährden.

Seit Obama ihre Haftstrafe angepasst hatte, habe Chelsea Manning übrigens nicht mit früheren US-Präsidenten gesprochen. Diesem wolle sie danken, dass er ihren Brief ernst genommen habe. "Ich habe eine Chance bekommen. Das ist alles, worum ich gebeten habe."

Mit Material von dpa und AFP.

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