Unwetter:Erste Fernzüge der Deutschen Bahn rollen wieder

Storm Friederike Brings Transport Stop And Deaths To Germany

Am Donnerstag ging nichts mehr: Die Deutsche Bahn stellte den kompletten Bahnverkehr ein, wie hier in Erfurt blieben die Züge in den Bahnhöfen.

(Foto: Getty Images)
  • In der Nacht ist Orkan Friederike über den Osten Deutschlands hinweggezogen. Das Ausmaß der Schäden ist noch unklar.
  • Unterdessen rollt der Verkehr auf den Schienen langsam wieder an.
  • Sieben Menschen sind infolge des Unwetters bereits gestorben, in Hamburg wurde zudem ein Schüler lebensgefährlich verletzt.

Friederike hat einen der stärksten und gefährlichsten Stürme, die je über Deutschland wüteten, knapp übertroffen. Zumindest was die maximale Windgeschwindigkeit betrifft. Gemeint ist Kyrill, der im Jahr 2007 über das Land zog, ein "Orkan der Königsklasse", wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) ihn beschreibt. Diesen Titel trägt nun auch Friederike, die in der Nacht über den Osten Deutschlands hinwegfegt ist. Böen mit 130 Kilometern pro Stunde und mehr waren vorhergesagt. Auf dem Brocken im Harz waren am Donnerstag sogar 203 km/h gemessen worden. Kyrill erreichte damals mit 202 km/h einen ähnlich hohen Wert auf dem Wendelstein.

Noch ist das Ausmaß der Schäden der Nacht nicht klar. Niedersachsen und Sachsen-Anhalt lagen direkt in der Schneise des Sturms. Die Behörden hatten an alle Bürger appelliert, lieber zu Hause zu bleiben und sich insbesondere von Bäumen fernzuhalten. Für die Region Berlin und Brandenburg hatte der DWD seine Warnung vor orkanartigen Böen am späten Donnerstagabend aufgehoben. Demnach sei die Gefahr dort weitgehend gebannt, es sei aber weiterhin mit schwerem Sturm zu rechnen.

Sieben Menschen sind bereits infolge des Unwetters ums Leben gekommen: In Emmerich am Niederrhein wurde ein 59-jähriger Mann auf einem Campingplatz von einem Baum erschlagen. In Lippstadt im Kreis Soest kam ein 68-jähriger Lastwagenfahrer bei einem sturmbedingten Verkehrsunfall ums Leben. Im thüringischen Bad Salzungen wurde ein 28 Jahre alter Feuerwehrmann während eines Sturmeinsatzes in einem Waldstück von einem Baum erschlagen. Ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr starb bei einem Einsatz im sauerländischen Sundern.

In der Nähe von Neubrandenburg starb eine 61-jährige Autofahrerin, als sie wetterbedingt die Kontrolle über ihren Wagen verlor und in einen entgegenkommenden Lastwagen krachte. Auf der A 13 im südlichen Brandenburg kippte ein Lastwagen durch den Sturm um, dabei kam der Fahrer ums Leben. Bereits in der vergangenen Nacht war in Baden-Württemberg ein 23-Jähriger bei einem Verkehrsunfall gestorben, als ein Pkw und ein Sattelzug auf glatter Fahrbahn zusammenstießen. In Hamburg wurde außerdem ein 17-jähriger Schüler lebensgefährlich verletzt, als ihn ein etwa 30 Zentimeter dicker Ast am Kopf traf.

Die Auswirkungen, die Friederike auf den Verkehr hat, sind gewaltig, selbst in den Gebieten, in denen die Böen inzwischen nicht mehr so stark sind. Hier eine Übersicht über die Einschränkungen, geordnet nach Verkehrsmitteln.

Bahn

Nach der deutschlandweiten Einstellung des Fernverkehrs wegen Friederike hat die Deutsche Bahn den Betrieb wieder aufgenommen. "Die ersten Fernzüge sind unterwegs", sagte ein Bahnsprecher am frühen Freitagmorgen. So sei um 3.25 Uhr ein ICE aus München in Richtung Frankfurt-Flughafen losgefahren. Der Sprecher betonte aber nochmals, dass es "nach wie vor zu Einschränkungen kommen wird." Insbesondere in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen seien noch wichtige Strecken gesperrt, teilte die Bahn auf ihrer Webseite mit.

Auch im Nahverkehr sollen die Züge in den betroffenen Bundesländern Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie im Norden Hessens nach und nach wieder anrollen. Eine ständig aktualisierte Übersicht der Deutschen Bahn über die Lage im Zugverkehr finden Sie hier.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hatte den Entschluss, sämtliche Züge zu stoppen, als "etwas übertrieben" kritisiert. Zwar sei Vorsicht immer eine gute Sache, hieß es, jedoch müsse dort, wo der Wind schwächer sei und keine Bäume stünden, der Betrieb nicht eingestellt werden. Tausende andere Reisende strandeten an Bahnhöfen. An den Infoschaltern bildeten sich vielerorts lange Schlangen. Teilweise, etwa in Berlin, hatte die Bahn ICEs bereitgestellt, in dem sich Wartende aufhalten und aufwärmen konnten. In Südniedersachsen saßen etwa 250 Reisende am frühen Donnerstagnachmittag in einem ICE fest, der in einen umgestürzten Baum gefahren war.

Die Deutsche Bahn erstattet Fahrgästen in der Regel die Kosten für nötige Übernachtungen oder alternative Verkehrsmittel, sofern die Fortsetzung der Fahrt am selben Tag unmöglich oder unzumutbar ist. So werden zum Beispiel Taxigutscheine an den Bahnhöfen ausgegeben. Jeder Einzelfall werde kulant geprüft, sagte ein Sprecher.

Flüge

An den Flughäfen Hannover, Bremen und München waren am Donnerstag mehrere innerdeutsche Flüge gestrichen worden. Auch in Hamburg, Köln/Bonn und Düsseldorf gab es Ausfälle. Sie wirkten sich auch auf andere Flughäfen aus, wie auf Berlin-Tegel. Je zehn Ankünfte und Abflüge hätten deshalb gestrichen werden müssen, so ein Sprecher des Betreibers. Im Flughafen Paderborn musste das Terminal evakuiert werden. Nach Angaben der Polizei drohte das Dach des Gebäudes abzuheben.

Autobahnen/Straßenverkehr

Neben dem Wind war bislang vor allem Glätte ein Problem. In der Nacht zu Donnerstag und am Donnerstagmorgen rutschten Lkws und Autos von teils vereisten Fahrbahnen und blockierten Autobahnen, es kam den Tag über zu Staus, vor allem in der Gegend zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven. Auf der A 28 und der A 29 krachte es "im Minutentakt", teilte die Polizei mit. In Schleswig-Holstein war der Verkehr auf zahlreichen Autobahnen wegen liegengebliebener Lkws blockiert. In mehreren Landkreisen fuhren keinerlei öffentliche Verkehrsmittel.

Auf der A 59 bei Duisburg drohte ein Lastwagen von einer Brücke zu stürzen. Er wurde vom Sturm an die Brüstung gedrückt. Die Autobahn sei gesperrt worden, sagte ein Sprecher der Autobahnpolizei in Düsseldorf. Auch auf der A 555 zwischen Köln und Bonn ist ein Lkw von einer Sturmböe erfasst worden und umgekippt. Er blockierte alle drei Fahrspuren, der eingeklemmte Fahrer musste von der Feuerwehr befreit werden.

Störungen bei Stromversorgung, in Schulen und öffentlichen Einrichtungen

Nach Angaben des Energieversorgers Westnetz gab es in Nordrhein-Westfalen aufgrund des Sturms Störungen und Stromausfälle. Etwa 120 000 Menschen seien davon betroffen. Grund seien auf Freileitungen gestürzte Bäume. Reparaturtrupps seien unterwegs. "Wir versuchen rauszugehen", sagte ein Sprecher. In vielen Fällen sei es jedoch zunächst nicht möglich gewesen, die Unglücksstellen zu erreichen, da die Sicherheit der Beschäftigten nicht gewährleistet gewesen sei. Im Osten Deutschlands waren laut der Mitteldeutschen Energie AG zeitweise bis zu 140 000 Haushalte ohne Strom, nachdem Masten, Leitungen und andere Anlagen durch den Orkan beschädigt worden waren.

In vielen Regionen in NRW war am Donnerstag die Schule ausgefallen. In Düsseldorf und Essen war der Unterricht am Morgen zunächst begonnen worden, dort forderte die Stadtverwaltung am Vormittag die Eltern allerdings auf, ihre Kinder abzuholen. In Ense-Lüttringen im Kreis Soest evakuierten Einsatzkräfte einen Kindergarten, nachdem der Orkan Teile des Dachs eines nahen Schulgebäudes abgedeckt hatte. Der Polizei zufolge bestand die Gefahr, dass die Trümmer die Kita beschädigen könnten.

Auch in Teilen Oberfrankens und im Oberharz in Niedersachsen fiel der Unterricht aus, unter anderem in den Städten Braunlage und Clausthal-Zellerfeld. In Brandenburg schlossen aus Sicherheitsgründen mehrere Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit. In mehreren Bundesländern schlossen einige Zoos für Besucher, die Tiere wurden nach drinnen gebracht. In Köln wurde die Umgebung des Kölner Doms abgesperrt: "Vorsicht, Steinschlag", warnte ein Schild.

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