US-Wahlkampf:Kein Platz für die Kartoffel

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Mit einem Parkverbot für Donald Trump will der Straßenkünstler Plastic Jesus seinen Protest zum Ausdruck bringen. Aber was bringt Satire, wenn die Realität schon bizarr genug ist?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Den schwierigsten Job in den Vereinigten Staaten haben momentan die politischen Comedians, die hauptberuflichen Parodisten. Jede überspitzte Formulierung, jede abgedrehte Idee, jede abseitige Pointe, alles wird an grotesker Unfassbarkeit ganz locker von den Geschehnissen in der politischen Realität überboten. Wer etwa behauptet, dass die Republikaner ihren Präsidentschaftskandidaten auf dem Parteitag im Juli durch einen Faustkampf ermitteln werden, erntet keinen Lacher, sondern eher wissendes Kopfnicken. Ganz ähnlich verhielt es sich in der vergangenen Woche mit den Schildern, die plötzlich überall in Los Angeles zu sehen waren. Sie sahen aus wie die ohnehin omnipräsenten Parkverbotshinweise, nur stand statt "No Parking Anytime" darauf: "No Trump Anytime".

Na ja, dachten sich viele Einwohner, Donald Trump ist in der Stadt wohl nicht willkommen, er soll gefälligst draußen bleiben. Seine Veranstaltungen hält er schließlich unten in Orange County ab, wo sich die reichen weißen Familien hinter Mauern und Zäunen vor dem Rest Amerikas verstecken. Die Schilder waren jedoch das Projekt des britischen Street-Art-Künstlers Plastic Jesus, der im vergangenen Jahr zur Oscar-Verleihung auf dem Hollywood Boulevard eine koksende Goldstatue mit der Aufschrift "Hollywoods beste Party" aufgestellt hatte. Zuvor hatte er unter den Stoppschildern in Beverly Hills den Hinweis "making stupid people famous" angebracht. Die Leute sollen Idioten nicht mehr zu Promis machen.

Nun also die Trump-Schilder, die plötzlich auch in New York, in Chicago und vor dem Weißen Haus in Washington zu sehen sind. "Es soll ein Hinweis darauf sein, wie die USA aussehen werden, falls Donald Trump tatsächlich Präsident werden sollte und viele Menschen nicht mehr willkommen sein werden", sagt Plastic Jesus, wenn man ihn nach seinem jüngsten Coup fragt. Seinen wirklichen Namen will er nicht verraten: "Schließlich sind viele Aktionen von mir illegal." Er hat jeweils 20 Schilder an Freunde und Unterstützer geschickt, sie sollten gleichzeitig im ganzen Land aufgestellt werden: "Am lustigsten finde ich das Schild vor dem Trump Tower in Chicago. Ich weiß nicht genau, was in Miami passiert ist, wahrscheinlich ist mein Freund verhaftet worden. Er ist auf jeden Fall vom Radar verschwunden."

Berühmt wurde Plastic Jesus im vergangenen Jahr, als er auf den Einkaufsstraßen in Los Angeles Schilder aufhängte, auf denen Kim Kardashian und ihren Geschwistern das Parken untersagt wurde. "Die Medien berichten darüber, wenn die Kardashians Klamotten kaufen, das ist doch absurd", sagt er: "Das Lustige an dieser Aktion war: Journalisten haben sich auf die Aktion gestürzt und sich damit selbst verkohlt." Die Originalschilder von damals gelten in Los Angeles mittlerweile als begehrte Sammlerstücke.

Stinkende Duftbäume: Auch Hillary Clinton ist das Ziel satirischer Angriffe

Genau das will der Künstler erzeugen: Aufmerksamkeit. "Niemand würde eine Kolumne in der New York Times von mir lesen wollen - durch Street-Art bekomme ich eine Stimme und hoffe, dass möglichst viele Menschen debattieren", sagt er. "Es ist schockierend, wie die US-Medien mit diesem Wahlkampf umgehen. Die Berichterstattung ist von beiden Lagern aus äußerst einseitig, Meinungen werden als Tatsachen verkauft. Das ist gefährlich."

Werke von Guerilla-Künstlern sind oft gesellschaftliche Kommentare, in den USA mischen sie sich nun in den Wahlkampf ein - auch Trumps wahrscheinliche Gegnerin Hillary Clinton wird thematisiert. In Los Angeles wurden übel riechende Duftbäume verteilt mit der Aufschrift, dass Clintons Skandale zum Himmel stinken würden. In New York tauchten gefälschte Werbeplakate des Bezahlsystems Paypal auf, auf denen die Demokratin und der ABC-Moderator George Stephanopoulos gezeigt wurden, der Clintons Stiftung mit Spenden unterstützt hatte. In Washington gibt es Graffiti, auf denen Trump und Clinton brüllend und zugleich Händchen haltend gezeigt werden - ein Hinweis, dass die Amerikaner im Herbst die Wahl zwischen zwei Übeln haben.

"Mein Lieblingsprojekt ist das von Hanksy", sagt Plastic Jesus. Der Künstler hatte einem von Schmeißfliegen umschwärmten braunen Haufen das Gesicht und die Frisur von Trump verpasst und einen Mitarbeiter mit einem Plakat seines Werks auf eine Wahlkampfveranstaltung geschickt. Als Trump die Plakate sah, ließ er die Störenfriede sofort von seinen Ordnern aus dem Saal werfen. Das war vorhersehbar, dann jedoch trat dieser Moment ein, in der die Realität die Kunst ins Groteske steigert. Trump sagte: "Nun wollen wieder ein paar Leute berühmt werden, in dem sie das Bild einer Kartoffel hochhalten." Die Kartoffel macht seitdem die Runde bei Trump-Gegnern und Trump-Fans, sie gilt wahlweise als Symbol für die Beschränktheit und für die Schlagfertigkeit des Kandidaten.

Wenn im Herbst dann das erwartete Duell Donald Trump gegen Hillary Clinton stattfindet, dürfte es noch schmutziger werden, Kampagnen und Gegenkampagnen könnten in einer wahren Schlammschlacht kulminieren. "Street-Art-Künstler reagieren auf aktuelle Entwicklungen", sagt Plastic Jesus: "Ich habe derzeit kein Projekt geplant, kann mir aber vorstellen, dass es noch ein paar weitere Aktionen geben wird." Die schwierige Aufgabe für Satiriker wird sein, dem Wahnsinn dieses Wahlkampfes gerecht zu werden - und die Realität noch ein wenig zu überbieten.

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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