Überwachung von Straftätern:Akku leer

Justizminister beraten über Fußfessel und Frauenquote

Die elektronische Fußfessel ist in Mode, hat aber ihre Tücken. (Archivbild von 2010)

(Foto: dpa)

Die elektronische Fußfessel ist in Mode - hat aber ihre Tücken. Das größte Problem ist das Aufladen des Kästchens, denn dafür sind die Überwachten selbst verantwortlich. Und denen fällt es oft schwer, ihren Alltag zu organisieren.

Von Marc Widmann

Er sei ein unorganisierter Mensch, sagte der junge Berliner, er sei einfach überfordert gewesen. Er schaffte es nicht, das schwarze Kästchen an seinem Fuß jeden Tag neu aufzuladen. Deshalb war der Akku ständig leer und der 31-jährige frühere Räuber wurde wieder unsichtbar. Mehr als 50 Mal verschwand er aus den Augen seiner Überwacher. Der 44-jährige Hamburger dagegen, er trank. Je mehr er trank, desto öfter vergaß er, sein elektronisches Kästchen aufzuladen. Dutzende Male ging der Strom zur Neige, ausgerechnet dann, wenn der Mann betrunken war und damit besonders gefährlich. Er hatte im Vollrausch 2006 ein zwölfjähriges Mädchen gewürgt und vergewaltigt.

Beide Fälle wurden jetzt bekannt, beide illustrieren, was Kritiker schon lange sagen: Elektronische Fußfesseln können allenfalls eine trügerische Sicherheit bieten. Die Technik hat weltweit einen steilen Aufschwung hinter sich, auch in Deutschland ist sie seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2011 in Mode. Derzeit tragen 68 Deutsche die schwarzen Kästchen am Knöchel, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Die Richter verordnen sie beispielsweise entlassenen Straftätern, die noch immer als gefährlich gelten, wie die beiden Männer aus Hamburg und Berlin. Doch die Technik hat Schwachstellen. Die größte ist offenbar: ihr Akku.

"Das ist schon lästig", sagt Hans-Dieter Amthor. Er hat die Fessel an sich selbst ausprobiert und leitet die gemeinsame Überwachungsstelle für die Länder im hessischen Bad Vilbel. Sie soll alle Fußfessel-Träger kontrollieren. Mit seiner Fessel setzte sich Amthor jeden Abend zur Tagesschau vor den Fernseher und heftete das magnetische Ladegerät an. Dann saß er da und stand erst zwei Stunden später wieder auf. So lange dauert das Laden. Mit einem drei Meter langen Kabel. "Das ist am Anfang schon ein Problem", sagt er, "aber auch unsere unstrukturierten Probanden bekommen das in der Regel gut hin." In der Regel. Nur wenn sie viel unterwegs sind außerhalb der Wohnung, wird es auch für die Diszipliniertesten schwer. "Dann kann es sein, dass das Ding nach zwei Stunden leer ist", sagt Amthor.

Wenn Überwachte unsichtbar werden

So kann es schnell zu kritischen Situationen kommen. In der Überwachungszentrale ertönt ein Alarm, der Aufpasser versucht, den Träger per Handy zu erreichen. Wenn das scheitert, alarmiert er die Polizei. Doch bis die Beamten eintreffen, kann es dauern. Manchmal ist der Träger der erlahmten Fußfessel längst woanders. Er ist unsichtbar geworden.

Auch ein Münchner verschwand so mehrmals aus dem Blickfeld seiner Überwacher. Vor zwei Jahren wurde der 41-Jährige rückfällig, jedoch mit einem funktionierenden Gerät am Fuß. Er verging sich an der siebenjährigen Tochter einer Bekannten. Die Fußfessel schützte das Mädchen nicht vor dem Mann. Sie half später immerhin, die Tat zu beweisen.

Der Akku hält bei den neuen Modellen etwa 15 Prozent länger, sagt Amthor. Ein kleiner Schritt. Und eine Fessel mit Wechselakku? Die werde es wohl nicht geben, sagt der Experte, auch die Überwachten müssten duschen. "Die wäre nicht mehr wasserdicht."

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