U-Bahn-Guerillas in London:Nächster Halt: betrunken

Dieselben Stationen, Tag für Tag, Zug um Zug: Das wurde ein paar Revoluzzern aus London zu langweilig, und so nahmen sie am Streckenplan der Central-Line-U-Bahn ein paar Veränderungen vor und klebten professionell anmutende Sticker mit skurrilen Botschaften an die Wände. Bleiben Sie sitzen und machen Sie sich auf Turbulenzen gefasst.

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Dieselben Stationen, Tag für Tag, Zug um Zug - das wurde ein paar Revoluzzern aus London zu langweilig. Also fingen sie an, am Streckenplan der Central-Line-U-Bahn ein paar Veränderungen vorzunehmen: Mithilfe von professionell anmutenden Aufklebern wurden verschiedene Haltestellen kurzerhand umbenannt und neu gestaltet. Bleiben Sie sitzen und machen Sie sich auf Turbulenzen gefasst. So ein Streckennetzplan hat eigentlich etwas sehr Beruhigendes an sich. So stressig der Job auch ist - nach dem Hauptbahnhof kommt in München immer das Sendlinger Tor, und in Berlin stets die Friedrichstraße. In London sind solche Gesetzmäßigkeiten seit eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt.

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Am 25. April 2011 erschien der erste Post auf dem tumblr Stickers on the Central Line - nach "Monaten (naja Stunden) der Vorbereitung". Eine Gruppe anonymer U-Bahn-Guerillas hat sich der sanften Revolution in Londons öffentlichem Nahverkehr verschrieben. Ihre Waffe: Aufkleber, die sich auf den ersten Blick kaum von der gewohnten Optik unterscheiden. Mit klitzekleinen Eingriffen wird aus dem Streckenplan an der U-Bahn-Decke ein kleines Kunstwerk - und aus der Haltestelle "White City" schon mal "Colour City".

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Die Menschen hinter dem Bilder-Blog wollen sich nicht zu erkennen geben - abgesehen von der Überschreitung der Legalität sind ihre Botschaften nicht immer schmeichelhaft. Klar ist: Sie sind längst nicht mehr allein. "Platz reserviert für Übergewichtige, Fettleibige oder krankhaft Fettleibige."

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Mit dem Blog nahm eine Bewegung an Fahrt auf, die inzwischen zu einer eigenen Szene erwachsen ist - mit einer eigenen Industrie. Ein gewisser "James" aus Londons hippem Osten vertreibt mittlerweile eine Auswahl an U-Bahn-Plan-Aufklebern im Netz.

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Etwa 200 Sticker habe er in diesem Jahr schon verkauft, für umgerechnet 2,50 Euro das Stück. "Es ist eine Art der Rebellion", sagte James der BBC, "vielleicht hängt das mit der Sorge und Angst der Leute zusammen und dem Willen, ihnen den Tag zu versüßen." Wer mit Harry Potter in den Hogwarts-Express umsteigen will, sollte es mal an der Haltestelle Buckhurst Hill probieren: Sie heißt jetzt "Platform 9 3/4".

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"Die Sticker werden immer beliebter, weil jetzt jeder seine eigenen herstellen kann", sagt der Aufkleber-Verkäufer. Auch die London-Underground-Bloggerin Anna Mole (Maulwurf), die die ersten dieser Aufkleber bereits 2004 entdeckte, berichtet von einem Hype. Seien sie zunächst sehr subtil gewesen, schreibt Anna Mole, "sind sie in letzter Zeit viel einfallsreicher geworden." Aus vielen Motiven spreche der Frust über das Gedränge in der U-Bahn. "Spaß-Platz für Leute, die rauchen, trinken oder Unzucht treiben wollen."

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Die Aktivisten von Stickers on the Central Line würdigen auch aktuelle Ereignisse. So wurde aus der Haltstelle Hanger Lane am 30. April 2011 der Kate-Middleton-Gedächtnisstopp, versehen mit dem bissigen Kommentar: "Die Londoner Verkehrsbetriebe feierten die Trauung von Kate Middleton und William Windsor mit der neuen Royal Line, die von Mohamed al-Fayed eingeweiht wurde."

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Doch die subversiven Aufkleber in den U-Bahnen der Central Line, die Greenford mit Acton, Notting Hill mit der Bond Street und Bethnal Green mit Epping verbindet, stoßen nicht nur auf Begeisterung. "Platz reserviert, Tisch am Fenster für drei um 20.30 Uhr."

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Die British Transport Police, in Großbritannien zuständig für den Schienenverkehr, warnt energisch vor derlei Eingriffen in den Bahnverkehr und stellt die Sticker auf eine Stufe mit Graffiti: So etwas sei "unwillkommener Vandalismus, der kriminellen Schaden" entstehen lasse und der "nicht toleriert wird", sagte ein Sprecher der BBC.

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

"Die Kosten für die Betreiber in Form von Reparaturen und Reinigungsarbeiten sind enorm", sagte der Bahnpolizei-Sprecher. Doch auch wer mit den teilweise zynischen Scherzen der Sticker-Aktivisten wenig anfangen kann ... "Für Mörder, Pädophile und übelriechende Pendler"

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

... muss einräumen, dass ein von ihnen überarbeiteter Streckenplan bisweilen einfach hübscher aussieht.

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(Foto: stickersonthecentralline.tumblr)

Und wer sich das nächste Mal nach dem letzten Pint in einem Ostlondoner Pub fragt, ob er statt von rosa Elefanten jetzt vom U-Bahn-Plan halluziniert, der sei hiermit vorgewarnt. Alle Bilder dieser Galerie sind dem tumblr Stickers on the Central Line entnommen. Die U-Bahn-Guerrilas sammeln die kleinen Kunstwerke auch in einer Facebook-Gruppe.

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