Studien:Happy Hour

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Sehen so glückliche Kinder aus (auf einer politischen Veranstaltung in Pjöngjang)? Im Jahr 2011 hatte es Nordkorea auf Platz 2 einer Liste mit den glücklichsten Ländern der Welt geschafft, gleich hinter China. Die USA kamen auf den letzten Platz. Aber das war natürlich alles nur Propaganda. (Foto: Feng Li/Getty)

Der neue Glücksbericht der Vereinten Nationen erklärt diesmal Norwegen zum glücklichsten Land der Welt. Warum nicht Vanuatu, Nordkorea oder Paraguay? Über die Inflation von nichtssagenden Erhebungen.

Von Martin Zips

Die "glücklichsten Menschen der Welt" müssen verdammt rastlose Typen sein. Ständig wechseln sie ihren Wohnsitz. Drei Jahre, immerhin, hielten sie's in Dänemark aus. Aber jetzt sind sie nach Norwegen gezogen. Und vorher waren sie schon in der Schweiz, Panama, Paraguay und Thailand zu Gast, auf Vanuatu und Costa Rica. Je nachdem, in welche Studie man so schaut.

In Vallendar hatte man sie eigentlich auch vermutet, die glücklichen Menschen. Vallendar, dieser schöne Ort am rechten Ufer des Mittelrheins, eingebettet zwischen Westerwald und Eifel. 16 Jahre lang war hier das "Gemeinnützige Institut für Glücksforschung" des Soziologen Alfred Bellebaum zu Hause, dann musste es schließen. Vallendar hat die Glücksforschung also nicht viel gebracht. Die glücklichsten Deutschen sind eher in Schleswig-Holstein und Franken zu finden. So steht es zumindest im "Glücksatlas 2016 der Deutschen Post". Ziemlich unglücklich hingegen ist man in Mecklenburg-Vorpommern. Wegen der Postzustellung? Blättert man eine weitere Studie auf, so entdeckt man die glücklichsten Deutschen plötzlich in Osnabrück. Ja, was denn nun?

Glück ist gar nicht leicht zu fassen. Deshalb fällt es einem auch schwer, den von den Vereinten Nationen bereits zum sechsten Mal herausgegebenen "World Happiness Report" zu vertrauen, wonach es unter 155 Ländern heuer Norwegen auf den ersten Platz geschafft hat. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hatte die UN erneut Bruttoinlandsprodukt, Lebenserwartung sowie "Selbstwahrnehmung", "Stärke des sozialen Umfelds" und "Vertrauen in Regierung und Unternehmen" untersuchen lassen. Ergebnis: In der Zentralafrikanischen Republik sind die Menschen besonders unglücklich. Der Kosovo liegt im Mittelfeld. Und in Norwegen, Dänemark und Island ist das Glück derart riesig, dass man sich schon Sorgen machen muss, um all die Unglücklichen dort.

Bei den Vereinten Nationen landet Deutschland glücksmäßig nur auf Platz 16

Für Deutschland, wo man bei "Norwegen" vielleicht an Breivik, bei "Dänemark" an Ferienhäuser und bei "Island" an Krimis denkt, ist der 16. Platz auf einer solchen Liste freilich schwer verdaulich. Aber immerhin liegen wir noch deutlich vor Frankreich (31) und Italien (48), wovon bestimmt auch Vallendar und Mecklenburg-Vorpommern profitieren.

Hatte es nicht einmal sogar Nordkorea in einer Glücksstudie auf Platz 2 geschafft? Gleich hinter China? Aber gut. Auftraggeber der Studie war natürlich das Regime in Pjöngjang.

Die internationale Glücksforschung hat es in den vergangenen Jahren zu einer unermesslichen Fülle an Studien gebracht, die beim Publikum zwar beliebt, in ihren wissenschaftlichen Methoden aber häufig umstritten sind. So gab Ruut Veenhoven, seit drei Jahrzehnten akribischer Auswerter jeder, wo auch immer publizierten Glücks-Studie, jüngst in einem ORF-Interview bekannt, dass Costa Rica laut seiner Datenbank zwar das glücklichste Land der Welt sei. Allerdings habe er nur eine einzige Umfrage dazu vorliegen. An ihr hätten auch nur 1000 Costa Ricaner teilgenommen. "Gäbe es mehr Daten, würden sie wahrscheinlich etwas schlechter abschneiden", gab Veenhoven, Glücksforscher an der Erasmus Universität in Rotterdam, zu. Nichtsdestotrotz findet sich Costa Rica im aktuellen UN-Weltglücksbericht auf dem stolzen 12. Platz - zwei Plätze vor den USA. Die Macher der Studie hätten sich unter anderem drei Tage an der Uni Rotterdam getroffen, heißt es in der Einleitung.

Sicher ist: Glücks-Indizes begeistern die Menschen, da sie einer komplizierten Welt einfache Schablonen aufdrücken. So wirkt das weite Feld "Happiness" plötzlich übersichtlich wie eine Bundesliga-Tabelle. Und jede Erhebung dient einem Zweck: Wichtige Aspekte seien in einer Glücksstudie deutscher Arbeitgeberverbände gar nicht aufgetaucht, kritisierten einmal deutsche Arbeitnehmerverbände. Dadurch sei ein völlig falsches Bild vom angeblich gerecht entlohnten Arbeiter entstanden.

Bei Aldous Huxley wird schlechte Stimmung mit einer Droge bekämpft

Der britische Ökonom Samuel Brittan warnte vor einiger Zeit in der Financial Times davor, Glücksforschung zur Basis internationaler Politik zu machen. Durch sie manifestiere sich womöglich der Eindruck, manche Nationen seien per se unglücklicher als andere. Da sei der Weg zu Aldous Huxley nicht weit, in dessen Roman "Schöne neue Welt" der Mangel an Glück nicht an der Wurzel, sondern mit einer stimmungsaufhellenden Droge bekämpft wird. Viel wichtiger sei es, dass sich Regierungen "auf ihre traditionellen Verantwortungsbereiche", zum Beispiel "Korrektur grober Einkommens- und Vermögensunterschiede" konzentrierten, so Brittan.

Die UN lobt Norwegen als Land, welches sich vom Öl-Boom unabhängig gemacht habe, und in die Zukunft investiere. Auf dem afrikanischen Kontinent hingegen sei - wie bereits in den vergangenen Jahren - viel Enttäuschung zu spüren. Im Vergleich dazu geht es Mecklenburg-Vorpommern übrigens richtig gut.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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