Juan Carlos:"Ein König stirbt im Bett"

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Gesundheitliche, familiäre und politische Konflikte nagen an Spaniens König Juan Carlos. Die vergangenen Monate haben ihn stark altern lassen. Eine baldige Abdankung erscheint da naheliegend - das Land spekuliert, der Palast dementiert.

Von Thomas Urban, Madrid

Auf dem Weg aus dem Krankenhaus: Spaniens König Juan Carlos (Foto: Getty Images)

Sichtlich guter Dinge verließ König Juan Carlos am Wochenende die Madrider Klinik La Milagrosa, in der er sich einer Bandscheibenoperation unterzogen hatte. "Endlich tut mir nichts mehr weh", erklärte er.

Es ist eine der seltenen guten Nachrichten für den 75-jährigen Bourbonen, der sich ansonsten mit vielerlei politischen Problemen konfrontiert sieht. So ist für ihn richtig unerfreulich, dass die von der Presse als "Freundin des Königs" bezeichnete deutsche Geschäftsfrau Corinna zu Sayn-Wittgenstein, die in den vergangenen Wochen Schlagzeilen machte, mittlerweile auch die Politiker beschäftigt. Die oppositionelle Vereinte Linke hat gefordert, vom Parlament deren Beziehungen zum Königshof und zur Regierung untersuchen zu lassen.

Wie ein Damoklesschwert hängt außerdem das Betrugsverfahren gegen Iñaki Urdangarin, den Mann der jüngsten Königstochter Cristina, über dem Madrider Zarzuela-Palast. Dort gehen nahezu täglich Stellungnahmen aus der Region Katalonien ein, in denen Prominente die Loslösung von der spanischen Krone fordern.

Innerhalb von drei Jahren wurde Juan Carlos zum siebten Mal operiert - zuerst war es ein Geschwulst in der Lunge, dann eine Achillessehne, ein Knie, das Rückgrat und vor einem Jahr erstmals auch ein Hüftgelenk, seitdem er sich dieses bei einer Safari in Botswana gebrochen hatte. Da ihn damals Corinna zu Sayn-Wittgenstein begleitet hatte, waren die Medien voll von Berichten über die königliche Ehekrise.

Auftritte auf Krücken

Wenig später machten ein 56-jähriger Kellner aus Katalonien und eine 46-jährige Hausfrau aus Belgien Schlagzeilen: Sie wollten Juan Carlos zu einem Vaterschaftstest zwingen lassen. Ihre Anwälte erklärten, sie seien Halbgeschwister, wie DNA-Tests ergeben hätten. Ihre Mütter hätten unabhängig voneinander den Bourbonen als Erzeuger benannt. Ein Madrider Gericht wies die Anträge allerdings ab.

Die gesundheitlichen, familiären und medialen Kalamitäten haben dem König offenkundig zugesetzt, er ist in den vergangenen Monaten stark gealtert. Dass er zuletzt nur mit Krücken auftrat und nun bis zu einem halben Jahr der Genesung bedarf, ließ erstmals in den Medien die Frage nach seiner Abdankung aufkommen. Die Kommentatoren verwiesen auf das Beispiel der niederländischen Königin Beatrix, die angekündigt hat, ihren Thron dem 45-jährigen Sohn Willem-Alexander zu überlassen. Der spanische Thronfolger Felipe ist genauso alt.

Zwar sind die Umfragewerte für den König nach wie vor besser als die aller führenden Politiker, doch sind sie in den letzten Monaten stark zurückgegangen. Bislang war er als Bürgerkönig populär. Auch zehrte er immer noch von seinem Einsatz gegen den Putschversuch einer Gruppe von Offizieren, die dem Regime des Diktators Francisco Franco nachtrauerten. Sie hatten die Rechnung ohne den jungen König gemacht, der mit seinem entschlossenen Eintreten für die Demokratie auch alle eines Besseren belehrte, die in ihm eine Marionette der Kamarilla um Franco gesehen hatten. Der staatliche Kanal TVE strahlte zum Jahrestag den Spielfilm "23-F - der schwerste Tag des Königs" über jenen 23. Februar 1981 aus, ein Lichtblick für ihn in den Turbulenzen 32 Jahre später.

Die Berichte über all die Probleme des Königshauses geben auch den republikanischen Kräften Auftrieb, die bislang nur ein schwaches Echo mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Monarchie fanden. Der Versuch der Vereinten Linken, die Causa Sayn-Wittgenstein auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen, zielt offenkundig auf die Schwächung der Monarchie ab. Die 49-jährige Deutsche hatte in einem Interview geheimnisvoll von "vertraulichen Diensten für die spanische Regierung" fabuliert. Sie versetzte damit nicht nur die Politiker in Aufregung, sondern erwies auch dem König einen Bärendienst. Denn nun soll der Geheimdienstchef Félix Sanz Roldán dem zuständigen Ausschuss Auskunft zu ihr geben, der Madrider Boulevard freut sich schon jetzt auf die üblichen Indiskretionen aus den Reihen der Parlamentarier.

Die Gunst der Stunde nutzte auch Pere Navarro. Er forderte offen die Abdankung des Staatsoberhaupts. Zum großen Verdruss der politischen Elite Madrids nähern sich die Sozialisten in der Industrie- und Tourismusregion in der Nordostecke Spaniens immer mehr der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung an, für die die spanischen Bourbonen das Symbol der Unfreiheit sind. Die Katalanen hatten vor 300 Jahren im Spanischen Erbfolgekrieg auf die falsche Seite, die Habsburger, gesetzt. Die siegreichen Franzosen sicherten dem Bourbonen Philipp V. den Thron in Madrid, das widerspenstige Barcelona belagerten und eroberten sie. Die Jahreszahl 1714 ist daher eines der Symbole der Separatisten.

Ebenso wenig wie der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy hat es Juan Carlos geschafft, zum Abbau der Spannungen zwischen Madrid und Barcelona beizutragen. Rajoy argumentiert mit der Verfassung, der König warnt undiplomatisch vor "Hirngespinsten". Dabei wäre es ihm ein Leichtes, mit einer Rede, die die historische Unterdrückung der Katalanen anspricht, Punkte zu machen.

Mindestens ebenso schwer wie der historische Ballast wiegen die Probleme des baskischen Schwiegersohnes Iñaki Urdangarin, der nach seiner Hochzeit mit der Königstochter den Titel eines Herzogs von Palma verliehen bekam. Er ist das erste Mitglied der königlichen Familie, das vor Gericht steht. Er gehörte zur Leitung einer gemeinnützigen Stiftung, die mindestens sechs Millionen Euro an Steuergeldern veruntreut haben soll.

Unberührt von all den Stürmen scheint nur Kronprinz Felipe zu sein. Dass er seinem angeschlagenen Vater auf den Thron folgt, gilt aber als unwahrscheinlich. Zum einen möchte Juan Carlos nicht in einer Atmosphäre der ungelösten Probleme abtreten. Zum anderen hat auch Königin Sofía offenbar ein Wort mitzureden. Sie bekräftigte: "Ein König stirbt im Bett!" Mit anderen Worten: Eine Abdankung kommt nicht infrage.

© SZ vom 11.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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