Schweizer Schloss Eugensberg:Glanz und Elend

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Rolf Erb lebte, hoch verschuldet, auf Schloss Eugensberg im Thurgau am Südufer des Bodensees. (Foto: Ginesta Immobilien AG)

Schloss Eugensberg war Wohnsitz des Ex-Milliardärs und verurteilten Betrügers Rolf Erb. Nun soll es für 32 Millionen Euro verkauft werden.

Von Charlotte Theile

Am Pool sei er gestorben, sagt der Makler, während er mit leichtem Druck die Haustüre öffnet. "Ich zeige es Ihnen später." Es sei ein absolut friedlicher Tod gewesen, nichts Grausames, nicht einmal Suizid - und insofern beim Verkauf des Anwesens überhaupt nicht von Belang. Claude Ginesta führt an zwei steinernen Löwen vorbei ins Innere. Im Schloss sieht alles so aus, wie man es sich vorstellt, wenn der Sohn eines Autohändlerimperiums eine feudale Immobilie einrichtet. Goldene Kronleuchter, schwere Teppiche, ein Wintergarten aus Marmor.

Noch bis vor ein paar Monaten lebte hier Rolf Erb. Milliardär, Oldtimer-Liebhaber. Ein verurteilter Betrüger, der es schaffte, dem Gefängnis zu entgehen. Mehr als 30 Millionen Franken soll er Anfang der Neunzigerjahre in die Einrichtung des Schlosses investiert haben, als die Erbs noch eine der reichsten Familien der Schweiz waren. 1920 eröffnete Rolf Erbs Großvater eine einfache Autowerkstatt in Winterthur. Wirtschaftlich ging es für das Unternehmen unter Vater Hugo Erb jahrzehntelang nur bergauf. Privat spielten sich Tragödien ab: Rolfs Bruder Heinz, als Firmennachfolger vorgesehen, starb bei einem Autounfall, der zweite Bruder, Christian, ist nach einem anderen Unfall querschnittsgelähmt. So übernahm Rolf das Milliardenimperium. Sein Vater Hugo Erb hatte über die Jahre ein Konglomerat von 82 Firmen zusammengekauft, handelte mit Kaffee, Küchen, Holz und mehr. Eine ziemlich unübersichtliche Ansammlung.

Superreiche aus aller Welt schauen sich das Schloss an

Als die Erb-Gruppe 2003 Konkurs anmeldete, Patriarch Hugo Erb starb, und die Zeitungen bald über "die dümmsten Autohändler der Schweiz" spotteten, kamen auch die Tricks ans Licht, mit denen die Erbs ihr Vermögen vor den Gläubigern sichern wollten. 2012 wurde der damals 61-jährige Rolf Erb wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Gläubigerschädigung zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Doch Erb zog vor Gericht, versuchte mit allen juristischen Mitteln den Super-GAU abzuwenden. Und lebte, hoch verschuldet, auf Schloss Eugensberg im Thurgau am Südufer des Bodensees. Blickte von einem der mehr als 40 Zimmer hinunter ins Tal und auf den Untersee, drehte seine Runden im überdimensionierten Pool und ließ am Morgen das Wasser aus vergoldeten Straußenhähnen über seine Zahnbürste sprudeln. Dabei half ihm ein Trick: Kurz vor der Pleite überschrieb er das Anwesen seinen Söhnen Alexander Rolf und Nicolas Hugo. Die Zwillinge waren zu diesem Zeitpunkt zehn Monate alt. Als die Haftstrafe nicht mehr abzuwenden war, starb Rolf Erb, im April 2017. Anders als man zunächst glaubte, eines natürlichen Todes.

Heute ist das Schloss Teil der "Konkursmasse", seit April steht es zum Verkauf. Claude Ginesta, Immobilientreuhänder aus Zürich, führt seit einigen Wochen Superreiche aus aller Welt über das Gelände.

Die Vorzüge, mit denen der Immobilienfachmann um potenzielle Käufer wirbt, sind vielfältig: ein Tennisplatz mit Flutlichtanlage (vielleicht für einen Profisportler), ein Kilometer langer Rundweg durch Wald und Felder (geeignet für Autorennen), ein gigantischer Swimmingpool (bestens für opulente Partys), das exklusive Badehaus am See. Auf einer Wiese vor dem Haus lässt sich der Hubschrauber landen.

Mindestens 35 Millionen Franken (etwa 32 Millionen Euro) soll das Schloss samt Grundstück einbringen. Eine Art Trostpreis für die Gläubiger, die Milliarden verloren haben - oder eine Art Schnäppchen.

Erb kam als Retter für das von einem Napoleon-Stiefsohn erbaute Schloss

Ein alter Rasenmäher rollt schnaufend vorbei, darauf der Gärtner. Ein Mann hält den Schlosspark, die Gärten, Wiesen und Seen in Ordnung. Die Erbs, die bis zum August 2017 im Schloss wohnten, hatten ihn auch als Chauffeur für die Teenager-Söhne eingesetzt. Jetzt, da 18 Stellplätze in der Tiefgarage leer stehen, sind seine Gerätschaften die einzigen, die Leben verheißen. Ginesta führt die Besucher durch verwunschene Alleen, zeigt bescheidene Angestelltenunterkünfte. Am Rosenhaus, wo einst der Chef der Bediensteten mit Familie lebte, erinnert wenig an den Prunk, mit dem das Schloss eingerichtet ist.

Seit Eugène de Beauharnais, ein Stiefsohn Napoleons, das Schloss um 1820 errichten ließ, hatte es viele Herren. Großindustrielle, Unternehmer, einige Jahre war es ein Museum. Von 1948 bis 1988 unterhielt die Diakonie ein Erholungsheim für Kriegswitwen, dann stand das Haus leer.

Erb kam 1990 als Retter, dem man auch deshalb goldene Wasserhähne, steinerne Wildschweine und einen schlecht versteckten Aufzug ins obere Stockwerk durchgehen ließ. Denkmalschutz hin oder her. Oben im Schloss, sagt Ginesta, sei eine ziemlich normale Wohnung, in der sich das Familienleben abgespielt haben soll. Der Gutshof wurde für den Bruder rollstuhlgerecht ausgebaut, später an einen Partyveranstalter mit Kampfhunden vermietet.

Noch einmal hoch zum Pool, wo Rolf Erb friedlich eingeschlafen sein soll, wenige Tage bevor er seine Haft hätte antreten müssen. Ginesta deutet auf das türkise Wasser: "Da bekommt man doch fast Lust reinzuspringen. Oder?"

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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