Schweiz:Attacke im Regionalzug

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Laut Polizei spricht bisher nichts für einen terroristischen Hintergrund. (Foto: dpa)

Ein junger Mann verschüttet brennbare Flüssigkeit in einem Regionalzug in der Schweiz, zündet diese an und attackiert wahllos Menschen mit dem Messer. Zwei Menschen sterben, mehrere erleiden zum Teil schwere Verletzungen.

Von Charlotte Theile, Zürich

Es ist Samstagnachmittag, kurz vor halb drei. Der Regionalzug der Schweizerischen Südostbahn befindet sich irgendwo zwischen Buchs und Salez-Sennwald, zwei Haltestellen, die bis dahin kaum jemand außerhalb des Kantons Sankt Gallen kannte. Nun laufen diese Ortsnamen in Dauerschleife, sie sind zu Chiffren des Grauens geworden. Ein 27-jähriger Schweizer richtete in dem fahrenden Regionalzug ein Blutbad an. Er verschüttete eine brennbare Flüssigkeit, zündete diese an und ging mit einem Messer scheinbar ziellos auf Mitreisende los. Auf einem Überwachungsvideo ist zu sehen, wie er und mehrere Mitreisende Feuer fangen. Eine 34-jährige Frau ist am Sonntag ihren schweren Verletzungen erlegen, auch der Attentäter ist inzwischen gestorben. Fünf weitere Verletzte, darunter ein sechsjähriges Kind, sind weiter in Behandlung, bei einigen soll der Zustand nach wie vor kritisch sein. Der Zug war zum Zeitpunkt der Attacke mit 50 bis 60 Fahrgästen besetzt.

Die Tat erinnert an den Anschlag vom 18. Juli, als ein 17-jähriger Flüchtling in einem Regionalzug bei Würzburg mit einer Axt auf Menschen losging. Auf einem Video fand sich später sein Bekenntnis zum islamistischen Terror. In diesem Fall liegen die Dinge anders. Der 27-jährige Attentäter stammt aus dem Nachbarkanton, hat einen Schweizer Pass, und trug, wie die Ermittler sagen, einen "typisch schweizerischen Namen". Auf ein terroristisches Motiv deutet nichts hin. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Strafrechtlich war der Mann bis zur Tat nicht in Erscheinung getreten.

Unterdessen wurde seine Wohnung durchsucht, Computer, Handy, persönliche Gegenstände beschlagnahmt. Aktuell beschäftigt die Ermittler die Frage, ob es zwischen Täter und Opfern eine Beziehung gegeben hat. Aufgrund seiner Verletzungen hatte der Attentäter nicht mehr befragt werden können.

Eine wichtige Rolle spielte der Lokführer des Regionalzuges. Trotz des Rauchalarms fuhr er weiter, bis zum Bahnhof Salez-Sennwald. Dort konnten Feuerwehr und Helfer schnell zu den Opfern gelangen. Die Fahrgäste wurden von psychologisch ausgebildeten Notfallteams betreut. Ein Helfer verletzte sich, als er den brennenden Attentäter aus dem Zug riss.

Nach der Tat gingen Anfragen aus aller Welt bei der Polizei Sankt Gallen ein. Nachdem klar geworden war, dass es sich wohl nicht um einen Terroranschlag handelt, fragen sich nun viele, ob und wie man die Tat hätte verhindern können. Martin Graf, Geschäftsführer der für die Sicherheit in Zügen zuständigen Firma Securitrans, regte an, Sicherheitsfirmen sollten auch tagsüber und an kleinen Bahnhöfen präsent sein. Andere sprachen sich dafür aus, den vor einigen Jahrzehnten abgeschafften Zugbegleiter wieder auf allen Strecken einzusetzen. Wie viel ein unbewaffneter Begleiter in diesem Fall hätte ausrichten können, ist allerdings fraglich. Auch die betroffene Südostbahn kündigte an, ihre Sicherheitspolitik überprüfen zu wollen.

Trotz dieser Überlegungen sind sich alle einig: Eine solche Tat, begangen an einem sonnigen Nachmittag, auf einer Strecke, die der Securitrans-Chef als "absolutes Friedensgebiet" bezeichnet, lässt sich nicht verhindern.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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