Schneestürme:Transatlantisches Winterchaos

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Schnee und Kälte legen Teile Europas und der USA lahm: Zwischen Frankreich und Großbritannien fahren keine Züge, in den USA wurde der Notstand ausgerufen.

Winterchaos auf beiden Seiten des Atlantiks: Schnee und arktische Kälte haben weite Teile Europas und der USA lahmgelegt: Die Bahngesellschaft Eurostar stellte den Zugverkehr zwischen Frankreich und Großbritannien komplett ein, nachdem in der Nacht zum Samstag 2000 Reisende in Hochgeschwindigkeitszügen festgesessen hatten. Weil die Lokomotiven von fünf Züge wegen der eisigen Kälte ausgefallen waren, mussten die Reisenden die Nacht im Tunnel unter dem Ärmelkanal verbringen.

Schneestürme fegen derzeit über weite Teile Europas und der USA hinweg. (Foto: Foto: dpa)

Schneestürme fegten über die Ostküste der USA hinweg, mindestens drei Menschen kamen bis Samstag ums Leben. Tausende saßen auf eingeschneiten Straßen fest, Flughäfen mussten schließen. Mehrere US-Bundesstaaten riefen den Notstand aus, hart getroffen war auch die Hauptstadt Washington.

Deutschland suchte die Eiseskälte mit oft zweistelligen Minusgraden heim - am Funtensee in Bayern herrschten 33,6 Grad Minus. Fast überall lag Schnee. Auf glatten Straßen kam es zu weit mehr als tausend Unfällen mit vielen Verletzten und mindestens zwei Toten. Zudem erfror in Mannheim ein 46 Jahre alter Obdachloser, der im Freien auf Betonboden geschlafen hatte.

Eine Pannenserie bei Eurostar führte dazu, dass im Tunnel unter dem Ärmelkanal Zugreisende einen Alptraum durchlitten und bis zu 15 Stunden brauchten, ehe sie in London ankamen. Vier Superschnellzüge steckten fest, ein fünfter kroch nach Angaben eines Eurostar-Sprechers nur langsam durch die Röhre.

Chaos an den Zug-Terminals

Mitten im Weihnachtsverkehr wurde der Betrieb unter dem Ärmelkanal für den ganzen Samstag eingestellt. An den Terminals herrschte Chaos. Die erschöpften und frustrierten Reisenden kritisierten eine schlechte Versorgung, mangelnde Informationen und sprachen von verängstigten Reisenden. Der Frachtverkehr, für den andere Zugtypen eingesetzt werden, konnte dagegen zunächst wieder aufgenommen werden.

Als die Züge aus der eisigen trockenen Luft im Norden Frankreichs in den etwa 25 Grad warmen und feuchten Tunnel fuhren, legte der Temperatursprung die Elektrik der Lokomotiven lahm. Das Unternehmen entschuldigte sich bei den Betroffenen. Für die Fahrgäste habe keine Gefahr bestanden, sagte der Sprecher. Die Züge hätten eine batteriebetriebene Notbeleuchtung.

"Die Leute sitzen nicht im Dunkeln fest." Wann wieder Züge auf der Strecke rollen, die London mit Paris und Brüssel verbindet, war zunächst unklar. Auch der Betreiber des Eurotunnels zeigte sich erstaunt. "Noch nie musste ein Eurostar-Zug in den 15 Jahren seit Tunnelöffnung evakuiert werden. Und in der vergangenen Nacht mussten wir gleich zwei Züge evakuieren und die Leute rausholen", sagte John Keefe der BBC.

Acht Menschen in Polen erfroren

In Polen sind seit dem Beginn der Kältewelle Mitte dieser Woche acht Menschen erfroren. In Breslau (Wroclaw) in Niederschlesien wurde der Zugverkehr 16 Stunden lang unterbrochen. Der Frost hatte die noch vor dem Zweiten Weltkrieg gebaute Eisenbahnbrücke im Stadtzentrum beschädigt.

Eis und Schnee haben auch Italien immer stärker im Griff. Die Fährverbindungen zu den Äolischen Inseln im Süden blieben am Samstag eingestellt. Selbst die Insel Sizilien richtete sich auf Schnee in höheren Lagen ein. Auch die Lagunenstadt Venedig erwachte unter einer Schneedecke.

Minus 33,6 Grad in Bayern

In Deutschland seien viele Autofahrer auf den plötzlichen Wintereinbruch nicht vorbereitet gewesen, sagte ein Polizeisprecher in Freiburg im Breisgau. Auf vielen Autobahnen stockte die Reisewelle in Richtung Süden - in zehn Bundesländern hatten die Ferien begonnen.

Die Temperaturen sanken vielerorts in den Keller: Am Funtensee in Bayern herrschten 33,6 Grad Minus, auf Deutschlands höchstem Berg, der fast 3000 Meter hohen Zugspitze, sank die Temperatur auf minus 25,2 Grad. Auf dem Brocken im Harz, Norddeutschlands höchstem Gipfel, gab es die kälteste Dezembernacht seit 31 Jahren: minus 21,7 Grad. Egal, ob Ost oder West, es war bitterkalt: In Dippoldiswalde-Reinberg in Sachsen minus 24,3 Grad, in Dill im Hunsrück (Rheinland-Pfalz) bis minus 22,9.

Obamas Hubschrauber bleibt auf dem Boden

In den USA war zunächst Virginia am schlimmsten betroffen, bereits bis Freitagabend gab es hunderte Verkehrsunfälle. Dort kamen auch die drei Sturmopfer ums Leben. "Hunderte Autofahrer sind auf eingeschneiten Straßen eingeschlossen", sagte ein Mitarbeiter des Krisenzentrums von Virginia dem Fernsehsender CNN. Zehntausende Menschen waren ohne Strom, nachdem unter der Schneelast zusammengebrochene Bäume auf Stromleitungen gefallen waren. Auf Flughäfen stauten sich wartende Reisende, nachdem hunderte von Flügen teils bis Sonntag abgesagt worden waren.

US-Präsident Barack Obama hatte nach seiner Rückkehr aus Kopenhagen den tief verschneiten Militärflughafen Andrews Air Force Base in Maryland am frühen Samstagmorgen gerade noch rechtzeitig erreicht. Ins Weiße Haus kam er allerdings nicht - wie gewohnt - mit dem Hubschrauber, sondern auf dem Landweg.

© dpa/AFP/Reuters/APD/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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