Saudi-Arabien:Bußgelder für üble Gerüche in Moscheen

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Gläubige in Saudi-Arabien sollten vor dem Gebet besser duschen. Die Kleriker wollen, dass keiner mehr stinkt. (Foto: Mosa'ab Elshamy/AP)

Wer in saudi-arabischen Gotteshäusern Gestank verbreitet, dem könnten künftig 800 Dollar Bußgeld oder fünf Monate Gefängnis drohen. Das trifft vor allem arme Gläubige.

Von Moritz Baumstieger

Eigentlich müssten Gottes Worte ja ausreichen, um einen religionsbezogenen Sachverhalt zweifelsfrei zu regeln. Und der Koran, den die Muslime als direkt vom Schöpfer herabgesandt betrachten, ist in jener Sache weder blumig, noch lädt er zu Interpretationen ein: "O ihr, die ihr glaubt, wenn ihr hintretet zum Gebet", heißt es in Sure 5, Vers 6 ganz unzweideutig, "so waschet euer Gesicht und eure Hände bis zum Ellbogen und wischet eure Häupter und eure Füße bis zu den Knöcheln ab". Die Wudu genannte rituelle Waschung vor dem Gebet ist damit genau beschrieben, von müffelnden Achseln, die gereinigt werden sollten, steht dort nichts. Ebenso wenig wie von Arbeitsschweiß, der abgewaschen werden müsste.

Dennoch sollten Gläubige in Saudi-Arabien vor der Zwiesprache mit ihrem Schöpfer künftig besser duschen und sich zur Sicherheit vielleicht noch parfümieren - zumindest, wenn sie das Gebet in einer Moschee verrichten wollen. Eine Initiative des Schura-Rates, kein gewähltes Parlament, sondern ein 150 Mitglieder zählendes Gremium, das den absolut regierenden König berät, hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die das Ausdünsten übler Gerüche in Gotteshäusern unter Strafe stellen soll. Mit bis zu 800 Dollar Bußgeld oder fünf Monaten Gefängnis soll künftig belegt werden können, wer anderen Gläubigen kräftig stinkt - wenn König Salman ibn Abd al-Aziz, der seinem Land nicht nur als Chef der Exekutive, sondern auch als einziges und maßgebliches Mitglied der Legislative dient, die Vorlage annimmt.

Die spezielle Verordnung zur Körperhygiene ist jedoch nur einer von 45 Punkten, mit denen das von dem Geistlichen Fayez al-Shahri eingebrachte "Gesetz für Anstand in der Öffentlichkeit" den "Missbrauch persönlicher Freiheiten" verhindern soll. Exhibitionismus, das Abspielen von lauter Musik in der Nähe von Moscheen, sensationslüsternes Aufnehmen von Handyfotos bei Autounfällen, das Zurschaustellen von Unterwäsche durch nachlässige Kleidung - al-Shahris Initiative will vielerlei vermeintliches und echtes antisoziales Verhalten sanktionieren.

Einen Waschzwang für alle einzuführen: Ist das nicht rassistisch?

Kritiker der konservativen Golfmonarchie dürften sich durch die Kontrollwut des Klerikers in ihren Klischees bestätigt fühlen. Die Initiative verrät jedoch Vielschichtigeres über den Zwiespalt zwischen Tradition und Modernisierung, in dem sich das Land befindet. Dass Teile des Schura-Rates, in dem die Geistlichen eine große Fraktion stellen, ein solches Gesetz für nötig erachten, zeigt, wie stark die Konservativen in Saudi-Arabien in die Defensive geraten sind: Viele der in der Vorlage aufgezählten Punkte wurden früher von der auf den Straßen patrouillierenden Religionspolizei auch ohne gesetzliche Grundlage kontrolliert. Die Willkür der Tugendwächter wurde in den vergangenen Jahren jedoch immer mehr eingeschränkt, die neusten Reformprojekte von Kronprinz Mohammad bin Salman, der sich gerne als Mann der Zukunft präsentiert und erheblichen Einfluss auf die Politik seines Vaters hat, dürften den Anhängern der alten Ordnung ohnehin in Graus sein: Frauen dürfen nun den Führerschein machen und Fußballstadien besuchen, Popsternchen geben Konzerte, und das teilweise sogar ohne Kopftuch. Nach 35 Jahren Bann sollen im März die ersten Kinos eröffnen, das vorher abgeschottete Königreich will sich zudem dem Tourismus öffnen, in ausgewiesenen Zonen könnten deshalb eventuell sogar Alkohol und Bikinis gestattet werden.

Die Reaktionen der Bevölkerung im Netz - mehr als 40 Prozent der Saudi-Araber sind jünger als 25 Jahre und nutzen die sozialen Medien intensiv - passen ohnehin nicht zum Bild eines rückständigen Gottesstaates: Die Spaßfraktion jammert kalauernd herum, dass der Bann von öffentlich sichtbarer Unterwäsche auch die Sirwal treffen könnte, die weiße Pluderhose aus leichtem Stoff, in Sachen Tragekomfort, Ästethik und auch Beliebtheit in etwa das Äquivalent zur ausgeleierten Jogginghose.

Für ernst gemeinte Empörung sorgt aber vor allem der Punkt, mit dem der Kleriker al-Shahri seine feine Nase schützen wollte. Das Mitglied des Schura-Rates ist nicht der Einzige, der in der Moschee nicht neben verschwitzten und verdreckten Glaubensbrüdern knien will, das Thema wurde zuletzt in religiösen TV-Shows diskutiert. Nun aber einen Waschzwang einführen zu wollen, sei rassistisch, meinten viele: "Wie können wir das von den sich quälenden Arbeitern verlangen, die Stunden in der Sonne schuften?", fragt etwa ein Mann namens Akram Hadheri auf Twitter und verweist darauf, dass schweißtreibende körperliche Arbeit in Saudi-Arabien vor allem Gastarbeiter aus Asien verrichten.

Wenn diese Billiglöhner, ohne die im Königreich nur wenig funktionieren würde, ihren religiösen Pflichten nachkommen wollen, bleibt ihnen angesichts der langen Arbeitszeiten oft nur der direkte Weg von der Arbeit zum Gebet - die von al-Shahri vorgeschlagenen hohen Strafen würden sie praktisch aus den Moscheen verbannen. Es sei denn, einer von ihnen würde genau auf der Grundlage des "Gesetzes für Anstand in der Öffentlichkeit" klagen: Es soll nicht nur das Stinken in Moscheen verbieten, ein anderer Punkt untersagt auch "rassistisches Verhalten".

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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