Randale in Schorndorf:"Das ist kein zweites Köln und kein zweites Hamburg"

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  • Nach den Krawallen beim Volksfest in Schorndorf bei Stuttgart hat Oberbürgermeister Matthias Klopfer Fehler von Stadt und Polizei eingeräumt.
  • Am Wochenende war es in der schwäbischen Stadt zu Randalen gekommen. Unklar ist nach wie vor, welche Rolle Migranten dabei spielten.
  • Nun überwacht ein Aufgebot der Polizei das Stadtfest. Der Montagabend verläuft friedlich in Schorndorf.

Von Josef Kelnberger, Schorndorf

Alles friedlich in Schorndorf. Ein Aufgebot an Polizisten, aber auch jede Menge Journalisten überwachen am Montagabend den reibungslosen Verlauf des Stadtfestes. Die "Schorndorfer Woche", kurz Schowo, beschäftigt seit dem Wochenende ganz Deutschland. Wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe von vier Asylbewerbern und Angriffen auf die Polizei aus einer angeblich tausendköpfigen Menge von Jugendlichen heraus.

Gewalt gegen Polizei
:Randale und sexuelle Übergriffe bei Volksfest in Schorndorf

Die Gewalt gegen Beamte sei erschreckend gewesen, sagt die Polizei. 1000 junge Leute sollen randaliert haben. Noch ist unklar, ob es sich dabei mehrheitlich um Schüler oder um Flüchtlinge handelte.

Von Josef Kelnberger

Der Schlosspark, Schauplatz der Krawalle, wird nun von Scheinwerfern der Feuerwehr ausgeleuchtet. Im künstlichen Licht sind am Montag Jugendliche anzutreffen, die das ganze Medienspektakel für übertrieben halten. Die Abiturienten und Realschulabsolventen des Jahres 2018 dürfen den Park wohl nicht als Bühne für ihre Abschlussfeier nutzen. Nach den Randalen soll er bei der 50. Schorndorfer Woche im kommenden Jahr offenbar geschlossen bleiben. Die Schorndorfer Jugend empfände das als Katastrophe.

Im Stadtzentrum, vor prächtiger Fachwerkkulisse, feiern die Schorndorfer währenddessen an einem traumhaften Sommerabend weiter, beschallt von zwei Bands. Vor einer der Bühnen versuchen vier afrikanische Asylbewerber eine deutsche Pop-Hymne mitzusingen: "Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag. Lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach." Nach einer Weile geben sie kopfschüttelnd auf und suchen das Weite.

Es gibt an diesem Abend alle möglichen Meinungen zu den Vorfällen vom Wochenende, von beschwichtigend bis radikal. Dass die Jugendlichen viel zu viel getrunken haben und keinen Respekt vor der Polizei mehr haben, ist Allgemeingut. Das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte werde seit Jahren öffentlich diskutiert, trotzdem steige die Anzahl der Delikte in diesem Bereich an, sagt etwa Carsten Beck, Vize-Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Baden-Württemberg, der Heilbronner Stimme. "Beleidigungen, anspucken, schlagen und treten bis hin zum lebensgefährlichen Angriff, ist heute fast an der Tagesordnung", Maßnahmen wie mehr Ordner seien sicher sinnvoll, man müsse sich aber auch die Frage stellen, woher diese zusätzlichen Kräfte kommen sollen.

Ob das Verhältnis zu den Flüchtlingen in der Stadt leidet, muss die Zeit erweisen. Die 40 000 Einwohner-Stadt, 30 Kilometer östlich von Stuttgart galt bislang geradezu als vorbildlich im Umgang mit den Asylbewerbern. Noch ist nicht aufgeklärt, welche Rolle sie bei den Krawallen spielten, und ob sie überhaupt eine spielten.

Die Stoßrichtung ist klar

Die Polizei hatte pauschal mitgeteilt, ein großer Teil der randalierenden Menge habe aus "Menschen mit Migrationshintergrund" bestanden, ohne näher darauf einzugehen, wen sie damit meinte. In ersten Meldungen wurde zudem verbreitet, die ganze tausendköpfige Menge habe randaliert; tatsächlich waren die Beamten von anonymen Tätern aus der Menge heraus angegriffen worden. Es gab keine Festnahmen, dafür sei es zu dunkel gewesen, hieß es.

Später wurde mitgeteilt, es hätten sich nicht überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund im Park aufgehalten. Oberbürgermeister Matthias Klopfer berichtete, nach seinen Erkenntnissen habe der Krawall seinen Ausgang unter Schorndorfer Schülern und Jugendlichen genommen, erst später seien "Menschen mit Migrationshintergrund" dazugestoßen.

Auf Antrag der AfD wird sich der baden-württembergische Landtag am Donnerstag mit den Vorfällen beschäftigen. Die Stoßrichtung ist klar: Schon im Titel ihrer Anfrage zieht sie Parallelen zu den Vorfällen auf der Kölner Domplatte an Silvester 2015. Der SPD-Politiker Klopfer stemmt sich am Dienstag im Morgenmagazin gegen diese Interpretation: "Dass Ausnahmezustand in unserer Stadt war, das kann man ganz klar verneinen", betonte er. Und: "Das ist kein zweites Köln und kein zweites Hamburg." Damit spielte Klopfer auf die Krawalle beim G-20-Gipfel an. Gleichzeitig plädiert er für einen Schulterschluss von Politik und Polizei, "um zu sagen: Da gibt es null Toleranz für Gewalt gegen die Polizei."

Klopfer hatte am Montag die Polizei kritisiert, weil sie den Schlosspark nicht rechtzeitig geräumt hatte. Nun spricht er von einer "gemeinsamen Fehleinschätzung der Stadt und der Polizei". Im Schlosspark, wo die Lage eskaliert war, herrsche generell ab 22 Uhr ein Alkoholverbot. In den Vorjahren habe man beim Stadtfest zwischen Mitternacht und 0.30 Uhr gesagt: "Jetzt dürft ihr aber alle gehen und auch nach Hause gehen." Das sei diesmal zu spät geschehen. Am Montagabend nach den Randalen wird bereits um halb elf Uhr der Park geräumt.

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