Prozess:Neues Gutachten zum Loveparade-Unglück

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Kreuze an der Gedenkstätte für die Opfer des Loveparade-Unglücks im Sommer 2010 in Duisburg. Ein neues Gutachten könnte helfen, die Umstände der Katastrophe aufzuklären. (Foto: Martin Gerten/dpa)

Die Staatsanwaltschaft Duisburg will doch noch ein Verfahren und gibt dazu ein neues Gutachten in Auftrag.

Von Bernd Dörries, Düsseldorf

Fast sechs Jahre nach der Katastrophe bei der Loveparade im Jahr 2010 will die Staatsanwaltschaft Duisburg nun doch noch ein zweites Gutachten zu den Ursachen in Auftrag geben, um ihre vom Landgericht Duisburg abgelehnte Anklage zu retten. "Dadurch wird sichergestellt, dass der Weg der notwendigen juristischen Aufarbeitung der Loveparade-Tragödie in einer öffentlichen Hauptverhandlung so schnell wie möglich beschritten werden kann", sagte eine Sprecherin am Dienstag.

Die Staatsanwaltschaft hatte über Jahre trotz aller Kritik an dem englischen Experten Keith Still festgehalten und sein Gutachten zum zentralen Argument der Anklage gemacht. Das Landgericht Duisburg lehnte die Anklage Anfang April ab, unter anderem mit der Begründung, das Gutachten sei "wegen erheblicher Verstöße von Prof. Dr. Still gegen Grundpflichten eines Sachverständigen unverwertbar". Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein, die schriftliche Begründung wird dann auch ein neues Gutachten enthalten. Vertreter der Hinterbliebenen begrüßten die Entscheidung. "Dadurch wird eine weitere Aufklärung des Sachverhalts herbeigeführt, den die Opfer und Hinterbliebenen der Loveparade-Katastrophe dringend benötigen", sagte Rechtsanwalt Julius Reiter, der viele Hinterbliebene des Unglücks vertritt. Trotz aller Fehler in der Vergangenheit versuche die Staatsanwaltschaft nun zumindest "konsequent lösungsorientiert nach vorn zu schauen und damit zu vermeiden, dass weitere Zeit verloren geht".

Im Juli 2010 waren bei der Loveparade 21 Menschen in einem tödlichen Gedränge ums Leben gekommen; die Staatsanwaltschaft hatte sechs Beschäftigte der Stadt Duisburg angeklagt und vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent, der dem McFit-Gründer Rainer Schaller gehört. Gegen die Ablehnung der Anklage hatte die Mutter eines Opfers im Internet eine Petition an das OLG Düsseldorf gestartet und innerhalb weniger Wochen mehr als 300 000 Unterschriften gesammelt. Die Mutter, die ihr einziges Kind verlor, erhofft sich von dem Strafprozess eine "lückenlose Aufklärung der Umstände". Eine Entscheidung des OLG wird erst in einigen Monaten erwartet.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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