Prozess:Mann ohne Reue

Lesezeit: 2 min

Er überfiel ein zeltendes Paar und vergewaltigte die junge Frau. Dafür ist ein 31-jähriger Asylbewerber nun in Bonn zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Von Christian Wernicke, Bonn

Eine Geste des Bedauerns habe der Täter nie gezeigt. Auch nicht in jenen langen Stunden des Prozesses, da das Bonner Landgericht zum Schutze der beiden Opfer von Eric X. unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagte. Bis zuletzt bestritt der 31-jährige Asylbewerber aus Ghana, dass er es gewesen sei, der in der Nacht vom 2. April in der Bonner Siegaue ein campendes Pärchen überfallen, mit einer Astsäge bedroht und die 23-jährige Frau vergewaltigt hatte. Am Donnerstag sprach der Richter den Angeklagten schuldig: Wegen schwerer Vergewaltigung und schwerer räuberischer Erpressung verurteilte er Eric X. zu elf Jahren Haft.

Das Verbrechen hatte im Frühjahr bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Die brutale Tat schürte Ängste, dass junge Migranten vor allem aus Afrika und Arabien in Deutschland immer häufiger zu Sexualstraftätern würden. Ähnliche Fälle waren aus Leipzig, Riedering und Freiburg gemeldet worden. Laut Kriminalstatistik fanden sich 2016 bei angezeigten Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen unter 6476 Tatverdächtigen überproportional viele Nichtdeutsche, nämlich 38,8 Prozent. Kriminologen relativierten diese Ziffern zwar, aber der Bonner Prozess stand somit im Zeichen eines doppelten Verdachts - gegenüber Fremden und gegenüber einem Rechtsstaat, der seine Bürger womöglich nicht genügend schützt.

Gegen den zweiten Verdacht zumindest hat das Gericht nun ein Zeichen gesetzt: Mit elf Jahren Gefängnis für X. blieb der Richter nur wenig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die 13 Jahre Haft verlangt hatte. Dazu beigetragen hatten die Aussagen eines Gutachters, der den Angeklagten als "voll schuldfähig" und als "überdurchschnittlich gefährlich" einstufte. X., so schrieb der Psychiater, sei ein Mensch, der nur schwer unterscheiden könne "zwischen dem, was ist, und dem, was er gern hätte". Diesen Eindruck vermittelte der Angeklagte gleich zu Beginn des Prozesses Mitte September. Er behauptete, er habe sich zur Tatzeit in seiner Flüchtlingsunterkunft in St. Augustin bei Bonn aufgehalten.

Aus Angst, ihr Vergewaltiger werde sie und ihren Freund ermorden, wehrte sie sich nicht

Die Aufzeichnungen dort aber zeigten, dass er das Lager am 1. April um 19.58 Uhr verlassen hatte. Und dass er erst um 3.06 Uhr am 2. April zurückkehrte. "Ein Trick", behauptete X., "ich habe keine Zeit, diese Märchen zu hören." Als ihm der Richter vorhielt, die DNA der Spermaspuren der Vergewaltigung sei mit seiner identisch, reagierte er aggressiv, schüttelte seine Handschellen. "Wenn das Gericht sagt, dass dies meine DNA ist, dann muss ich das Mädchen eine Prostituierte nennen."

Was sich tatsächlich abgespielt hat in jener Nacht, das berichteten die Opfer, die 23-jährige Studentin und ihr 26-jähriger Freund, hinter verschlossenen Türen. Gegen Mitternacht war X. auf der Wiese aufgetaucht, mit der Säge zerschnitt er ihr Zelt. Das Paar händigte ihm sechs Euro und eine Lautsprecherbox aus. Das genügte ihm nicht. Die Säge drohend in der Hand verlangte er Sex: "Komm raus, du Hure."

Fast übermenschlich mutet an, wie die Frau inmitten des Horrors dann die Nerven behielt. Aus Angst signalisierte sie ihrem Partner, nicht einzugreifen. Sie wehrte sich nicht, sie schrie nicht. Sie sei, so sagte die Frau später einer Polizistin, nur froh, dass sie noch am Leben seien.

„Ich bin seit 30 Jahren Richter. In keinem Verfahren habe ich bisher solche Fesselungen angeordnet wie in diesem“, sagt Klaus Reinhoff zu Eric X., der an Händen und Füßen gefesselt in den Gerichtssaal gebracht wird. Der Täter gilt als unberechenbar und gewalttätig. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Ihr Freund war im Zelt geblieben, musste zuhören und erlebte sein eigenes Trauma. Denn sein Versuch, per Handy die Polizei zu rufen, scheiterte. Die Leitstelle zeichnete die Sekunden dieses Dramas auf. "Meine Freundin wird gerade vergewaltigt", flüstert der Mann ins Mikro, "er hat eine Machete dabei." - "Sie wollen mich nicht verarschen, ja?", sagt eine Beamtin am anderen Ende der Leitung. "Nein, bitte schicken Sie jemanden." - "Ja, ich schicke jemanden - tschö." Dann legt sie auf.

Beim zweiten Versuch eines Notrufs erwiderte ein anderer Polizist, der junge Mann möge sich, bitte schön, an die Polizei in Siegburg wenden: "Die koordinieren das." Die Polizei war zwar schon nach dem ersten Anruf ausgerückt, kam aber zu spät. Die zuständige Polizistin wurde intern versetzt, ihr Kollege arbeitet nun unter besonderer Dienstaufsicht.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: