Prozess:Für immer

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Ein Asylbewerber aus Afghanistan vergewaltigt und ermordet mitten in Freiburg eine junge Frau, nun ist Hussein K. zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zum Ende eines verstörenden wie akribischen Prozesses.

Von Josef Kelnberger, Freiburg

Die Wunde der Stadt: Am Fluss Dreisam hängt ein Herz für das Opfer – unmittelbar in der Nähe zum Tatort. (Foto: dpa)

Die Eltern des Opfers sind auch zur Urteilsverkündung nicht vor Gericht erschienen. Sie hätten die Gegenwart des Mannes nicht ertragen, der ihre Tochter in der Nacht zum 16. Oktober 2016 mitten in Freiburg vergewaltigt und ermordet hat. Von Brüssel aus versandten sie eine Erklärung, nachdem der Täter am Donnerstag zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. "Angemessen", bezeichneten sie die Strafe, der Rechtsstaat habe sich bewährt, auch wenn kein Urteil ihr "unermessliches Leid" tilgen könne. Sie haben eine Stiftung gegründet, in aller Öffentlichkeit, um den Namen der Tochter in Ehren zu halten. Es gibt also jetzt an der Universität Freiburg eine Maria-Ladenburger-Stiftung. Sie soll, das ist eine besondere Botschaft, auch ausländischen Studierenden helfen.

Und was wird von Hussein K. in Erinnerung bleiben, dem aus Afghanistan stammenden Asylbewerber, der die 19-jährige Medizinstudentin sterbend in der Dreisam zurückgelassen hat? Er ist ein sehr gefährlicher Mensch, vor allem für Frauen, geprägt von extremer Ich-Bezogenheit und einem völligen Mangel an Mitgefühl. So hat es der psychiatrische Gutachter festgestellt, so trug es in ihrer Urteilsbegründung auch Richterin Kathrin Schenk vor. Lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung, besondere Schwere der Schuld, "Vorbehalt" einer Sicherungsverwahrung: Das bedeutet, dass Hussein K., wenn überhaupt, erst eines sehr fernen Tages auf freien Fuß kommen wird.

"Herr K., Sie sind uns ein Rätsel geblieben", sagte die Richterin

Zwei junge Menschen sind sich in jener Oktobernacht auf verhängnisvolle Weise begegnet, nur darum ging es in dem Prozess - und nicht um Flüchtlingspolitik, Schenk wies darauf hin. Als K. Ende 2015 nach Freiburg kam, wussten die Behörden nicht, dass er in Griechenland zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Das Jugendamt glaubte seiner Lüge, er sei noch keine 18, seine Pflegefamilie gewährte ihm große Freiheiten. Sein Opfer: eine sozial engagierte Frau, Tochter eines hochrangigen, kirchlich engagierten EU-Beamten. Konnte es ein vernichtenderes Urteil über die deutsche Willkommenskultur geben?

Der Prozess hat sich im Laufe eines halben Jahres zu einem Muster an juristischer Akribie entwickelt. Es habe so lange gedauert, weil sie sich ein eigenes Bild von der Tat auf Korfu habe machen müssen, sagte Richterin Schenk. Dort hatte Hussein K. 2013 eine junge Frau in einen Abgrund gestürzt, nachdem er ihr eine Tasche geraubt hatte. Ein Mordversuch, um eine vorangegangene Tat zu vertuschen: Deshalb gilt Hussein K. nun als Wiederholungstäter, deshalb die drastische Strafe.

Es gab vereinzelten Applaus im Gerichtssaal, als Schenk das Urteil verkündete. Hussein K. nahm es mit seiner typischen Haltung hin, eingehüllt in eine Kapuzenjacke, den Blick gesenkt. Nur sein wippender, linker Fuß deutete auf innere Unruhe hin. Zu Beginn des Prozesses hatte er Reue bekundet und eine Version der Tat geschildert, die frei von Merkmalen eines Mordes war. Er sei betrunken und bekifft auf dem Radweg gelegen, habe eine beliebige Person mit dem Fuß vom Rad gestoßen und die schreiende Frau im Affekt gewürgt. Vergangen habe er sich erst an ihr, als er sie tot wähnte. All das hält das Gericht für widerlegt. Hussein K. habe nach einer Frau gesucht, um sie zu überfallen und sich brutal an ihr zu vergehen. Laut Gutachter muss er erkannt haben, dass die Frau noch atmete, als er sie in die Dreisam legte, Mund und Nase unter Wasser.

"Herr K., Sie sind uns ein Rätsel geblieben", sagte die Richterin. Sie meinte das Leben des Hussein K. Vieles von dem, was er erzählte, hat sich als Lüge herausgestellt, etwa der Märtyrertod seines Vaters im Kampf gegen die Taliban. Trotz zweier anderslautender Gutachten sah es das Gericht nicht als erwiesen an, dass Hussein K. zur Tatzeit älter als 21 war. Er wurde als "Heranwachsender" dennoch nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt, weil er nicht entwicklungsverzögert sei, sondern im Alltag Zeichen von Reife und Selbständigkeit habe erkennen lassen.

Der Verteidiger kündigte an, Revision einzulegen. Es sei womöglich nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass sein Mandant unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stand. Richterin Schenk legte sich darauf fest: Das Problem von Hussein K. sei allein dessen Charakter. Und der sei kaum therapierbar. Dass bei einem Heranwachsenden nur der "Vorbehalt" einer Sicherungsverwahrung im Urteil stehen kann, ändere nichts daran: Hussein K. habe so gut wie keine Chance, nach 15 Jahren auf freien Fuß zu kommen. Er müsse sich die Chance für eine Therapie verdienen, das sei aber schwer vorstellbar. "Gleichwohl", sagte die Richterin, "wünsche ich Ihnen, dass Ihnen das irgendwann gelingt."

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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