Protokoll einer Audienz:Papst gibt Existenz von "Homo-Lobby" im Vatikan zu

Pope Francis leads his Wednesday general audience in Saint Peter's Square at the Vatican

Papst Franziskus: Es gibt eine "korrupte Strömung" in der Kurie

(Foto: REUTERS)

Gibt es im Vatikan eine Gruppe schwuler Geistlicher, die Einfluss auf die Kirche nimmt? Erstmals soll sich nun Papst Franziskus einem Protokoll zufolge bei einem Gespräch mit Kirchenvertretern dazu geäußert haben. Außerdem beklagt er demnach die Korruption in der Kurie.

Der Vatikan ist voller Gerüchte. Eines davon kreist seit Langem um den Einfluss einer angeblichen Lobby homosexueller Geistlicher, die teilweise sogar für den Rücktritt von Papst Benedikt XVI. mitverantwortlich gemacht wurde. Der Vatikan bestritt die Existenz einer solchen Gruppe allerdings stets. Bis jetzt.

Papst Franziskus soll nun erstmals eingestanden haben, dass eine "schwule Lobby" existiere und dass man sehen müsse, "was wir tun können". So zumindest wird der Papst in einem Protokoll zitiert, das auf der Webseite Reflexión y Liberación exklusiv veröffentlicht wurde. Das chilenische Internetportal publiziert Nachrichten aus dem Bereich der lateinamerikanischen Kirche und der Befreiungstheologie.

Der Text soll ein Gespräch zwischen Franziskus und Kirchenvertretern aus Lateinamerika und der Karibik wiedergeben. Die Veröffentlichung des Protokolls zum Besuch der Confederación Latinoamericana y Caribeña de Religiosas y Religiosos (Clar) in Rom sei vom Vatikan nicht vorgesehen gewesen, hieß es.

Die Clar bestätigte nicht die dem Papst zugeschriebenen konkreten Zitate, räumte aber ein, dass die Zusammenfassung das "allgemeine Gefühl" des Treffens widerspiegele. Die Veröffentlichung basiere auf einem internen Dokument, das von den Teilnehmern nach dem Treffen am vergangenen Donnerstag zusammengestellt worden sei, erklärten die Clar-Präsidenten in Bogotá. Es gebe keine Tonbandaufzeichnung, weshalb der genaue Wortlaut nicht mit Sicherheit geklärt werden könne. Die Clar bedauere die Veröffentlichung des Gesprächs. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi lehnte einen Kommentar ab und verwies lediglich darauf, dass es sich um ein privates Treffen gehandelt habe.

Gerüchte um Korruption und Seilschaften aufgrund sexueller Abhängigkeiten innerhalb des Vatikans kursieren schon länger. Offizielle Äußerungen der Kirche über den Einfluss homosexueller Geistlicher auf die Kurie gab es bisher jedoch nicht.

Außerdem äußerte sich der Papst bei dem Treffen offenbar kritisch über die Verwaltung des Vatikans: "In der Kurie gibt es heilige Leute", sagte Papst Franziskus dem Protokoll zufolge. Es gebe aber in der Tat auch eine "korrupte Strömung". Er selbst sei nie versessen auf Macht gewesen; dass er zum Papst gewählt wurde, sei für ihn vollkommen überraschend und unerwartet gekommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: