Philippinen:Ein staatlich verordneter Konkurs

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Polizisten bringen während einer Übung am Strand der Insel Boracay mit Schlagstöcken und Schutzschilden „Aufständische“ unter ihre Kontrolle. (Foto: Noel Celis/AFP)

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte lässt die beliebte Ferieninsel Boracay für Gäste schließen. Wegen eines Abwasser-Problems.

Von Arne Perras, Singapur

Wenn mehrere Hundertschaften Polizei am Strand aufmarschieren, mit Helmen auf dem Kopf und Schlagstöcken in der Hand, muss wohl etwas faul sein im Paradies. Die beliebte Ferieninsel Boracay auf den Philippinen erlebt gerade einen solchen Aufmarsch der Staatsmacht. In seiner Dimension dürfte er einmalig sein. Strände, Hotels, Restaurants, Tauchshops, Vergnügungsparks, sie alle müssen ab diesem Donnerstag schließen. Und 600 Polizisten sollen die Inselblockade durchsetzen, falls sich nun doch Widerstand regt.

Urlauber aus aller Welt dürfen Boracay vorerst nicht mehr betreten, weil Präsident Rodrigo Duterte das so befohlen hat. Der Staatschef ist wütend über die Zustände auf Boracay, und die hat er auch so derb geschildert, dass es alle auf den Philippinen mitbekommen haben: Boracay sei zu einer "Klärgrube" verkommen, ätzte der Präsident. Deshalb müssten jetzt erst mal Reinigungs- und Bautrupps ausrücken, um die Kloake zu beseitigen.

Dutzende Hotels, Restaurants und Geschäfte sollen ihre Abwässer Jahre lang weitgehend ungeklärt ins Meer geleitet haben. Besonders unappetitlich wirkte zuletzt ein Video vom Bolabog Beach, der bei Kite-Surfern beliebt ist. Darauf war zu sehen, wie sich schwarze Brühe aus einem Abwasserrohr ins flache Wasser ergoss, während man dahinter Urlauber mit ihren Sport-Drachen über die Wellen flitzten sah. Umweltminister Roy Cimatu erklärte, dass sich die bedrohlichen Wasserwerte, die am Surferstrand gemessen wurden, zuletzt schon erheblich verbessert hätten. Nach Entwarnung klang das aber nicht, weil die Belastung mit Bakterien immer noch sechsmal so hoch war wie der Wert, der für sicheres Schwimmen empfohlen wird. Der Minister versicherte, die Regierung fahnde weiter nach all den Umweltsündern, die ihre Abwässer über versteckte Rohre ins Meer leiteten. In den kommenden Monaten sollen nun die Bagger arbeiten, Häuser und Betriebe an Kläranlagen anschließen und auch viele Bauten abreißen, die ohne Genehmigung hochgezogen wurden. Duterte scheint entschlossen, seinen harten Kurs durchzuziehen, er hat die Schließung für sechs Monate angeordnet.

So sehr viele Philippiner es jetzt begrüßten, dass der Staat bei Umweltsündern hart durchgreift, so irritiert sind doch auch manche über die Widersprüche, die Dutertes Politik erkennen lässt. Einerseits setzt er das Signal, dass Boracay dringend gesunden müsse, andererseits hatte er offenbar keine Skrupel, den Plan für ein Mega-Casino abzusegnen, das ein Großinvestor aus Macao für 500 Millionen Dollar auf der Ferieninsel mit zuletzt jährlich 2,1 Millionen Besuchern aus dem Boden stampfen will.

Wie es erst mal weitergeht? Die meisten der 30 000 Bewohner haben keine Ahnung, so wie Rebecca Baco, die einem Reporter auf der Insel erzählte, dass dies der schlimmste Moment ihres Lebens sei. "Es ist, als habe uns ein Super-Taifun getroffen", sagte die Frau, die einen Grillplatz am Strand betreibt. Keine Touristen, kein Einkommen, so einfach ist das.

Deshalb hätten es viele auch gut gefunden, wenn der Staat die Betriebe auf der Insel in mehreren Phasen nacheinander geschlossen hätte, anstatt einen brachialen Totalstopp zu verhängen. Außerdem verstehen viele nicht, warum nun alle büßen sollen für die Sünden einiger Betrüger und korrupter Seilschaften, die ihre Insel ruinieren. Viele ärmere Leute werden nun ihr Glück anderswo versuchen müssen, sechs Monate ist eine lange Zeit, wenn man nichts zurücklegen konnte. Duterte verspricht Hilfe aus einem 40-Millionen- Notfallfonds, aber keiner weiß, wer etwas bekommen soll, wann und wie.

Bei einer Übung haben die Polizisten schon mal vorsorglich den Strand besetzt und mit ihren Schlagstöcken und Schutzschilden eine Horde von schauspielenden Aufständischen unter Kontrolle gebracht. Nur als Warnung, falls sich einige verzweifelte Insulaner doch noch zum Protest zusammenfinden sollten.

© SZ vom 26.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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