Passagiermaschine vermisst:Air France: 26 Deutsche im Unglücks-Jet

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Verschollen im Gewittersturm: An Bord der vermissten Air-France-Maschine waren nach Angaben der Fluggesellschaft auch 26 Deutsche. Die Ursache des Unglücks ist weiterhin unklar. Das Flugzeug wird noch immer vermisst.

Jens Flottau und Nicolas Richter

Wer mit Air France von Rio de Janeiro nach Paris fliegt, hat die Wahl zwischen zwei Uhrzeiten, aber auch zwischen zwei Maschinentypen: Die Strecke ist so gut ausgelastet, dass die französische Fluggesellschaft jeden Tag zwei Jets einsetzt. Nachmittags um 16.20 Uhr hebt eine große, meist ältere Boeing 747 ab, und um 19 Uhr folgt der kleinere, modernere Airbus A330-200.

Eine Maschine der Air France ist vom Radar-Schirm verschwunden - mit 228 Menschen an Bord. (Foto: Foto: AP)

Wenn der erste Flug wegen üblicher Unwetter verspätet startet, stehen die Maschinen nebeneinander am veralteten Terminal 1 des internationalen Flughafens von Rio de Janeiro, benannt nach Antonio Carlos Jobim, dem Meister der Bossa Nova. Wenn es an der 747 etwas zu reparieren gab, kam es vor, dass der Airbus zuerst startete. Dann unterhielten sich die teils genervten, teils verunsicherten Passagiere darüber, dass man besser die modernere Maschine gebucht hätte.

Doch an diesem Sonntag, dem 31. Mai, war es anders. Die Boeing 747 startete pünktlich und landete am nächsten Morgen um kurz vor acht in Paris. Drei Stunden später, um viertel nach elf, hätte dort auch der Airbus landen sollen - er kam nicht.

Seit 4.14 Uhr europäischer Zeit habe man keine Nachricht mehr von Flug 447, teilte Air France am Montag mit. "Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen", sagte der französische Umweltminister Jean-Louis Borloo. 228 Menschen sind an Bord, unter ihnen zwölf Crewmitglieder.

Nach Angaben von Air France in Paris handelt es sich unter anderem um 61 Franzosen, 58 Brasilianer und 26 Deutsche. Am Abend bestätigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dass sich deutsche Passagiere an Bord befunden hätten, eine Zahl nannte er nicht. Das Auswärtige Amt prüfe die Angaben.

Der Pariser Nachrichtensender i-télé berichtet, dass auch der Südamerika-Chef des Reifenherstellers Michelin und Angehörige der früheren brasilianischen Monarchenfamilie an Bord waren. Nach Angaben des Roten Kreuzes wollten elf Passagiere nach Stuttgart weiterreisen.

Zum Zeitpunkt des Verschwindens verlässt die Maschine den Radarbereich, der von der brasilianischen Insel Fernando de Noronha aus kontrolliert wird, und ist 565 Kilometer von der brasilianischen Küste entfernt. Die Route führt an der nordöstlichen Küste Brasiliens entlang, dann überqueren die Flieger den Atlantik und streifen die Kapverden, bis sie an der westafrikanischen Küste hinauf, an den Kanaren vorbei, nach Europa gelangen.

Der Unfall ist der erste eines Airbus A 330 im Liniendienst, seit das Flugzeug 1994 eingeführt wurde. Die Maschine mit der Registrierung F-GZCP war bei Air France seit März 2005 im Einsatz. Die Fluglinie erklärte, das Flugzeug sei im April erst technisch überprüft worden.

Für Air France ist dies der zweite schwere Unfall innerhalb von zehn Jahren. Am 25.Juli 2000 war eine Überschallmaschine vom Typ Concorde brennend in ein Hotel nahe Paris gestürzt. Auf der Startbahn war sie über ein Metallteil gerollt. In einer danach folgenden Kette von Ereignissen war der Treibstofftank leckgeschlagen und in Brand geraten. 113 Menschen starben. Im August 2005 rutschte ein Airbus A340 bei der Landung in Toronto über die Bahn hinaus und zerbrach. Mit viel Glück konnten alle Passagiere lebend aus dem brennenden Wrack gerettet werden.

Air France bezeichnete es als wahrscheinlichste Hypothese, dass ein Blitzschlag das Unglück verursacht haben könnte. Gegen 4.14 Uhr setzte die Maschine eine automatische Nachricht über einen "Defekt im Stromkreis" ab. "Das Flugzeug könnte von einem Blitz getroffen worden sein", sagte Air-France-Chef Pierre-Henri Gourgeon. Ein Sprecher ergänzte: "Es ist in eine Gewitterzone mit starken Turbulenzen geflogen, die Funktionsstörungen verursacht haben."

Die brasilianische Luftwaffe verlor eigenen Angaben zufolge um 3.30 Uhr MESZ den Kontakt zu dem Flugzeug. (Foto: Foto: SZ-Grafik)

"Es gab in der Region sehr starke tropische Unwetter. Diese Flugzeuge sind für solche Umstände ausgelegt, aber es muss zu einer Verkettung von Ereignissen gekommen sein", sagte Minister Borloo.

Der genaue Verlauf des Unglücks liegt noch im Dunkeln. Oft dauert es mehrere Monate, bis Experten sich ein grobes Bild machen können. Besonders schwer macht die Fahndung die wahrscheinliche Lage des Wracks tief auf dem Meeresgrund. Um wichtige Daten analysieren zu können, müssen die Bergungsmannschaften versuchen, den Flugdatenschreiber und den Stimmenaufzeichner zu finden. Oft lassen sich erst anhand dieser Daten wichtige Rückschlüsse auf die Ursachen ziehen.

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat es nur ein gutes Dutzend Unfälle gegeben, in denen Blitzschlag eine Rolle gespielt hat. Betroffen waren vorrangig kleinere Propellerflugzeuge, aber 1976 auch eine Boeing 747 der Iran Air. In einigen Fällen hat der Einschlag dazu geführt, dass Steuerflächen nicht mehr benutzbar waren und die Piloten die Kontrolle über ihre Maschine verloren. Im Linienbetrieb umfliegen die Besatzungen Gewitter wegen der starken Turbulenzen großräumig.

Am späten Abend wurde der mögliche Absturzort auf wenige Dutzend Seemeilen eingegrenzt. Er liegt vermutlich auf halbem Weg zwischen der brasilianischen und der afrikanischen Küste. Aus Südamerika und von einem französischen Armeestützpunkt in West-Afrika stiegen Militärjets auf, um nach der vermissten Maschine zu suchen. Auch die brasilianische Marine schickte drei Schiffe.

Air France hat die kostenlose Hotline 0033/1 57 02 10 55 für Anrufer aus dem Ausland eingerichtet.

© SZ vom 02.06.2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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