Brasilien: Air-France-Maschine vermisst:Mehr als 20 Deutsche in Unglücks-Jet

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Eine Maschine der Air France ist über dem Atlantik vor Rio de Janeiro von den Radarbildschirmen verschwunden. An Bord: 228 Menschen - darunter offenbar 26 Deutsche. "Wir stehen einem absolut dramatischen Ereignis gegenüber", sagte Frankreichs Staatspräsident Sarkozy.

Was geschah über dem Atlantik? Eine Maschine der französischen Fluggesellschaft Air France ist am Montag vor der Küste Brasiliens von den Radarschirmen verschwunden. Das teilten die Flughafenbehörden in Paris mit. Air France erklärte, an Bord seien 216 Passagiere und zwölf Crew-Mitglieder. Auch mehr als 20 Deutsche sollen in der Maschine gewesen sein.

Eine Maschine der Air France ist vom Radar-Schirm verschwunden - mit 228 Menschen an Bord. (Foto: Foto: AP)

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestätigte in Prag, dass sich auch deutsche Passagiere in der Maschine befunden haben. Zu den genaueren Zahlen könne er sich noch nicht äußern.

Unterschiedliche Zahlen gibt es auch von Air France: Zunächst erklärte ein Sprecher der Fluggesellschaft in Brasilien, es seien von 18 Deutsche an Bord der Maschine gewesen. Air France in Paris veröffentlichte am Abend jedoch eine Passagierliste, in der von 26 deutschen Passagiere die Rede ist. Zudem waren offenbar auch 61 Franzosen und 58 Brasilianer in der Maschine gewesen, wie aus der auch auf der Homepage von Air France veröffentlichten Liste hervorgeht.

Dem Auswärtigen Amt in Berlin liegen bislang keine Erkenntnisse zu deutschen Passagieren vor. "Wir haben noch keine belastbaren Informationen, ob und wie viele Deutsche sich unter den Fluggästen befanden", sagte ein Sprecher in Berlin. "Wir stehen in engstem Kontakt mit den französischen Behörden." Die Passagierliste liege dem Auswärtigen Amt noch nicht vor.

Rotes Kreuz: Elf Passagiere wollten nach Stuttgart

Elf Passagiere wollten nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nach Stuttgart. Das sagte der Kreisbereitschaftsleiter des DRK in Esslingen, Rolf Wieder, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Am Nachmittag hätten Helfer am Stuttgarter Flughafen acht Angehörige betreut, die Passagiere aus der vermissten Maschine in Empfang nehmen wollten.

Der für Verkehr zuständigen französischen Umweltminister Jean-Louis Borloo sprach von mindestens 40 Franzosen an Bord. Die Pariser Flughäfen (ADP) gehen von mindestens 60 Franzosen aus. Die meisten Passagiere waren den Angaben zufolge Brasilianer.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy bezeichnete den wahrscheinlichen Absturz als eine "Katastrophe, wie sie die Air France noch nie erlebt hat". "Wir stehen einem absolut dramatischen Ereignis gegenüber", sagte er am Montagabend.

An Bord des französischen Verkehrsflugzeugs könnten sich möglicherweise auch Briten befunden haben. "Ich befürchte, es könnten auch einige britische Bürger an Bord gewesen sein", sagte Premierminister Gordon Brown.

Auch Italiener sollen in der Maschine gewesen sein. Drei Mitglieder des norditalienischen Vereins "Trentiner der Welt" seien an Bord, sagte der Präsident der Organisation, Alberto Tafner, in Trient. Nach unbestätigten Informationen aus italienischen Luftverkehrskreisen sollen insgesamt fünf Italiener an Bord des Flugzeuges sein.

Unter den Passagieren waren dem Air-France-Sprecher zufolge Staatsbürger unter anderem aus China, Ungarn, Belgien, den Philippinen, Marokko, dem Libanon, Schweden und Österreich.

Die brasilianische Luftwaffe verlor eigenen Angaben zufolge um 3.33 Uhr MESZ den Kontakt zu dem Flugzeug. (Foto: Foto: SZ-Grafik)

"Das Flugzeug könnte von einem Blitz getroffen worden sein", erklärte der Chef der Fluggesellschaft Air France, Pierre-Henri Gourgeon. Möglicherweise sei mitten in einem Unwetter die Stromversorgung ausgefallen. "Wir stehen zweifellos vor einer Luftfahrtkatastrophe." Dies sei "die wahrscheinlichste" Hypothese, sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft in Paris.

Laut dem Unternehmen weist eine von dem Flugzeug automatisch abgesetzte Nachricht auf einen "Defekt im Stromkreis" hin. Die Botschaft wurde demnach um 04.14 Uhr MESZ abgeschickt, als das Flugzeug "eine Gewitterzone mit starken Turbulenzen" durchflogen habe. "Wir müssen leider mit dem Schlimmsten rechnen", sagte auch Staatssekretär Dominique Bussereau in Paris.

Um 3.30 Uhr riss der Kontakt ab

Der Airbus A330-200 war wie geplant um Mitternacht in Rio de Janeiro gestartet. Um 3.30 Uhr gab es den letzten Kontakt mit Paris. Später verschwand die Maschine der Air France ohne Vorwarnung von den Radarschirmen.

Noch sei unklar, wo das Flugzeug zuletzt geortet worden sei. Weder ein Unfall noch ein Terroranschlag werden ausgeschlossen. Die Maschine haben weder Kontakt zu den marrokanischen noch zu den portugiesischen Fluglotsen aufgenommen. "Die Maschine nahm keinen Kontakt mit den marokkanischen Fluglotsen auf", teilte der marokkanische Verkehrsminister Karim Ghellab der staatlichen Nachrichtenagentur MAP mit. "Die Maschine muss daher außerhalb des marokkanischen Luftraum verschwunden sein."

Auch die portugiesische Luftfahrtbehöde hat keinen Kontakt zu den Piloten gehabt. Das Flugzeug habe sich weder bei den Kontrollstellen auf den Azoren noch in Lissabon angemeldet, teilte ein Sprecher der portugiesischen Luftfahrtbehörde in Lissabon mit.

Der Luftwaffenstützpunkt in Lajes auf der Azoren-Insel Terceira habe ebenfalls keinen Funkkontakt mit der Maschine gehabt, berichtete die Nachrichtenagentur Lusa. Die portugiesische Inselgruppe der Azoren liegt im Atlantik zwischen Europa und Nordamerika. Nach den in Lissabon vorliegenden Informationen habe das Flugzeug auch keinen Kontakt zu den Lotsen auf der Insel Sal aufgenommen, die zur portugiesischen Ex-Kolonie Kap Verde gehört.

Die brasilianischen Streitkräfte suchten nahe der Insel Fernando de Noronha 360 Kilometer vor der Küste nach der Maschine. Ein französisches Aufklärungsflugzeug nahm von Senegal aus die Suche nach dem Wrack vor der afrikanischen Küste auf. "Man muss vor Afrika suchen", erklärte der Ex-Pilot Michel Chevalet, der das Luftfahrtmuseum Le Bourget leitet.

Maschine sollte um 11.15 Uhr MESZ landen

Fernando de Noronha liegt etwa 350 Kilometer vor der brasilianischen Küste. Die Luftraumüberwachung über einem großen Teil des Atlantiks falle in die Zuständigkeit der brasilianischen Behörden. Der zu überwachende Luftraum sei allerdings dreimal so groß wie Brasilien.

Der Fluggesellschaft zufolge sollte die Maschine mit der Flugnummer 447 um 11.15 Uhr MESZ in Paris eintreffen. Am Flughafen wurde ein Krisenstab eingerichtet.

Laut Air France ist das etwa 60 Meter lange Flugzeug seit 2005 im Einsatz und wurde zuletzt am 16. April gewartet. Der Pilot hatte den Angaben zufolge rund 11.000 Stunden Flugerfahrung, darunter 1700 auf diesem Flugzeug.

Die Fluggesellschaft hat die kostenlose Hotline 0033/1 57 02 10 55 für Anrufer aus dem Ausland eingerichtet.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/AP/jja/bica/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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