Für die Polen war er "unser Papst", also meldete die Boulevardzeitung Fakt vor Kurzem: "Unser Papst" habe Krebs geheilt. Am 27. April soll Karol Wojtyła, der als Johannes Paul II. von 1978 bis zu seinem Tod 2005 an der Spitze der katholischen Kirche stand, wegen solcher Taten heiliggesprochen werden. Dafür reicht die Heilung einer Kranken in Costa Rica, die im Heiligsprechungsverfahren als exemplarisch genannt wird. Doch Fakt ist sicher: Johannes Paul II. hat nicht nur eines, sondern viele Wunder bewirkt.
Der Bekräftigung hätte es wohl nicht bedurft, um die Polen vom historischen Rang des herannahenden Ereignisses zu überzeugen. Schon seit Monaten fiebert das Land der Kanonisierung entgegen, dies schlägt sich vor allem in den Schaufenstern der Buchhandlungen und den Auftragsbüchern der Reisebüros nieder.
Mehr als 30 neue Bücher sind erschienen, die jede Phase im Leben des neuen Heiligen ausleuchten: die Kindheit in Wadowice, die Studienzeit unter dem Terror der deutschen Besatzung, das Wirken als Erzbischof von Krakau sowie die 26 Jahre und fünf Monate als Papst in Rom.
Bestseller gegen den Willen des Autors
Zu den Autoren zählt der polnische Prälat Sławomir Oder, der als Postulator das Seligsprechungsverfahren betrieben hatte und jetzt über zusätzlich bezeugte Wunder Auskunft gibt. Als Bestseller ragt ein Werk heraus, das Karol Wojtyła selbst verfasste: persönliche Notizen aus den Jahren 1962 bis 2003.
Er wollte sie nach seinem Tod zwar verbrannt wissen, sein Privatsekretär Stanisław Dziwisz, heute Erzbischof von Krakau, setzte sich über diese Testamentsverfügung jedoch hinweg mit der Begründung, die Eintragungen seien "der Schlüssel zum Verständnis seiner Geistigkeit". Sie finden reißenden Absatz, der Verkaufserlös ist für ein Museum und Sanktuarium für Johannes Paul II. in Krakau bestimmt.
Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II.:Pontifex der Rekorde
Nur ein Papst amtierte länger als Johannes Paul II., kein Pontifex reiste öfter als er. Nun wird Karol Wojtyla als erster Pole in Rekordzeit heiliggesprochen - nur acht Jahre nach seinem Tod.
In seinem Heimatort Wadowice gibt es im Geburtshaus ein Museum, das gründlich renoviert wurde. An diesem Mittwoch wird es wiedereröffnet. Neben einer Multimedia-Show und persönlichen Besitztümern ist dort auch die Pistole vom Typ Browning HP 9 Millimeter zu sehen, mit der der Attentäter Mehmet Ali Ağca den Papst am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz niederschoss und schwer verwundete. Das Asservat wurde für drei Jahre aus Rom ausgeliehen.
Event und Touristenmagnet zur Heiligsprechung
Das Wochenende nach Ostern, an dem die Heiligsprechung ansteht, wird ein Land im Ausnahmezustand erleben. Experten schätzen, dass 1,5 Millionen Polen dem Ereignis in Rom beiwohnen wollen, an ihrer Spitze Staatspräsident Bronisław Komorowski mit seinen Vorgängern Aleksander Kwaśniewski und Lech Wałęsa.
Sonderzüge und -flüge sind seit Langem gebucht, zwei Wanderer und ein Marathonläufer sind seit Wochen unterwegs. In Polen sollen bei allen Messen Laternen angezündet werden, über welche die Gläubigen "den Heiligsprechungsfunken der Barmherzigkeit" empfangen können.
Es gibt auch Sonderbriefmarken und -münzen, die Souvenirindustrie ist gerüstet. Auch Sportler fühlen sich herausgefordert. Zu Wojtyłas neuntem Todestag am 2. April sprang in Stettin eine Schwimmstaffel ins Wasser in der Absicht, insgesamt 9665 Bahnen zurückzulegen - so viele Tage hatte das Pontifikat des künftigen Heiligen gedauert, der selbst sehr gerne schwamm.