Papst Franziskus auf Lampedusa:Umarmung für die Aussätzigen der Gegenwart

Dienstreise mit Symbolwert: Papst Franziskus auf Lampedusa. (Foto: Getty Images)

Der Papst unternimmt seine erste Dienstreise an die Außengrenzen des Wohlstands und verändert damit die Wirklichkeit. Politiker müssen sich künftig etwas einfallen lassen, wenn sie das Flüchtlingselend für unerheblich halten wollen.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

Papst Franziskus hat einen Kranz ins Mittelmeer geworfen, zum Gedenken an 20.000 Ertrunkene. Es werden trotzdem wieder Menschen beim Versuch sterben, Lampedusa, das gelobte Land, zu erreichen; sich trotzdem immer neue Menschen in Somalia und Eritrea auf den Weg machen und gewissenlosen Schleppern ihr letztes Geld geben. Europa wird trotzdem neue Mauern bauen, um diese Menschen abzuschrecken.

Und doch ändert es die Wirklichkeit, wenn die erste Reise von Papst Franziskus ins Flüchtlingslager an die Außengrenze des Wohlstands führt. Jorge Mario Bergoglio durchbricht, wie er formuliert hat, die "Globalisierung der Gleichgültigkeit", die das Erschrecken verdrängt und das Weinen verlernt hat.

Er lenkt die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Existenzen am Rande und damit in die Mitte der Menschlichkeit. Politiker und Bürger, so sie ihr Christsein ernst nehmen, müssen sich von nun an etwas einfallen lassen, wenn sie das Flüchtlingselend für unerheblich halten wollen.

Am Freitag hat Franziskus eine wohlformulierte Enzyklika übers "Licht des Glaubens" veröffentlicht; am Montag zeigt er, wie die Theologie in die Tat umzusetzen ist. Jesus tat einst etwas Unerhörtes: Er berührte den Aussätzigen, der zu ihm kam, den die Leute für körperlich wie moralisch unrein hielten, vor dem sie sich ekelten. Franziskus hat die Aussätzigen der Gegenwart umarmt.

© SZ vom 09.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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