Overtoun Bridge in Schottland:Die Brücke, von der 600 Hunde sprangen

  • Die Overtoun-Brücke nahe der westschottischen Kleinstadt Dumbarto beschäftigt die britischen Medien.
  • Seit den sechziger Jahren sollen immer wieder Hunde von der Brücke gesprungen sein.
  • Die Bürger der Stadt haben einen Tierpsychologen zu Hilfe gerufen.

Von Hannes Vollmuth

Zwischen Schottland und dem Rest Europas gab es in den Sommern der Neunzigerjahre einen hübschen Deal: Das an Obskuritäten reiche Land schickte uns täglich Neuigkeiten zu Nessi, dem Ungeheuer von Loch Ness, mit denen dann verzweifelte europäische Journalisten das faustgroße Sommerloch auf ihren Seiten stopfen konnten. Im Gegenzug sandten sie Touristen in das teure Dauerregenland, die nach dem Besuch an ebenjenem Loch Ness auch noch sämtliche Castles und Whisky-Destillerien abfuhren.

Doch Nessi ist ein alter Hut, im Prinzip auserzählt. Deshalb hat Schottland, wo übernatürliche Phänomene praktisch hinter jedem eingefallenen Schafszaun warten, inzwischen eine neue Obskurität in die Welt geschickt, die dieser Tage wieder die britischen Blätter beschäftigt: Overtoun Bridge, die weltweit erste Selbstmörder-Brücke für Hunde.

Gotische Brücke zieht Hunde an

Seit geraumer Zeit schon sollen sich in der Nähe der westschottischen Kleinstadt Dumbarton regelmäßig Hunde von einer gotischen Brücke stürzen. Das Lokalblatt Lennox Herald etwa schreibt von 600 Hunden, die schon einen beherzten Sprung über die Granitbalustrade wagten. Annähernd 50 Tiere sollen dabei gestorben sein, die ersten angeblich schon in den Sechzigerjahren.

Spektakulär und allen Geister-Theorien Nahrung gebend sind auch Erzählungen, wonach Tiere, die den Sturz von der 15 Meter hohen Brücke überlebten, Jahre später noch einmal von der Brücke gesprungen sind.

Und als wäre das nicht genug, erzählen die geschockten Hundehalter von ihren Vorfällen auf der Spuk-Brücke auch noch auf ähnlich schaurige Art und Weise. "Wir gingen mit den Kindern und dem Hund spazieren, als der Hund auf einmal wie aus dem Nichts in die Tiefe sprang", sagte eine Betroffene der Daily Mail. Anhänger der Vermenschlichung von Tieren sprechen schon von einer tierischer Todessehnsucht.

Übernatürliche Kräfte?

Die Overtoun Bridge liegt rund zehn Autominuten vom 10 000-Einwohner-Städtchen Dumbarton entfernt und dient als Zufahrtsweg zu Overtoun House, einem Herrenhaus, gebaut im späten 19. Jahrhundert. Es muss ein herrlicher Spaziergang über die Spuk-Brücke sein, die 15 Meter über einen Wildbach führt. So redet zumindest die Sekretärin der örtlichen Pfarrei und sagt: Gerade bei Hundehaltern sei die Gegend um Overtoun Bridge äußerst beliebt.

Anscheinend setzt allerdings nicht jeder Hund auf der Spuk-Brücke gleich zum Sprung an. Eine offizielle Erklärung des Phänomens braucht es trotzdem, wie alles auf dieser Welt. In Schottland, Land der Schlossgeister und des mitternächtlichen Kettengeklirrs, ist die Sache eigentlich klar: Spuk, Geister, übernatürliche Kräfte.

Und so vermuten einige Bürger von Dumbarton "die weiße Frau von Overtoun" hinter dem mysteriösen Verhalten der Hunde. Ein Philosophielehrer aus Glasgow sagte nach seinem Besuch auf der Brücke der Boulevardzeitung Daily Mirror: "Irgendetwas oder irgendjemand versuchte mich von der Brücke zu stürzen, genauso wie die Hunde."

Vielen ist die Brücke auch nicht mehr geheuer seit den Vorfällen von 1994, als ein 32-jähriger Vater seinen zwei Wochen alten Sohn von der Brücke warf. Später erklärte er vor Gericht, er wäre überzeugt gewesen, sein Sohn sei der leibhaftige Teufel. Der Mann kam in eine Anstalt.

Was der Tierpsychologe sagt

Den Schauergeschichten, die sich also um die Overtoun-Brücke ranken wie dichter Efeu, glaubt im Tierheim von Dumbarton zwar niemand so richtig. Verunsichert war man dort trotzdem lange Zeit, und zwar so sehr, dass man irgendwann den Tierpsychologen David Sands zur Hilfe rief, der höchstwissenschaftlich klären sollte, warum Hunde wieder und wieder und ohne Vorwarnung sich 15 Meter nach unten stürzen.

Sands fand schließlich heraus: Die Hunde gehen dem Geruch von Nerzen nach, einer Art Marder, die höchstwahrscheinlich unter der Brücke leben. Weil die Hunde jedoch nicht einschätzen könnten, wie hoch die Brücke sei, komme es regelmäßig zu diesen Vorfällen. Der Hund springt aus Neugierde, motiviert vom Nerz-Geruch, und findet den Tod, die Wahrheit ist manchmal einfach.

Hunde, so ist man sich in Dumbarton mittlerweile sicher, haben wohl doch keinen Todestrieb. Aber ihrem Herrchen sind die Tiere wohl ähnlicher, als man denkt. Beide eint die Neugierde, die curiositas, das war mal eine schlimme Sünde: Das Herrchen will das nachrichtliche Sommerloch gestopft sehen; der Hund will wissen, was da unter der Brücke so seltsam riecht. Beiden tut das nicht immer ganz gut.

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