Norwegen:Austritt leicht gemacht

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Die Norwegische Kirche feiert ihr neues Online-Portal. Dort kann man per Mausklick aus- oder wieder eintreten.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Es sind keine Zahlen, auf die die Norwegische Kirche stolz sein kann. Könnte man zumindest meinen. Trotzdem haben die Kirchenobersten sie den Norwegern mit selbstbewusster Genauigkeit vorgerechnet: 10 854 Austritte an nur einem Tag, dem ersten Tag, 15 053 Austritte innerhalb der ersten vier Tage, 25 743 bis Ende des Monats. Der größten Kirchengemeinde des Landes laufen die Mitglieder scharenweise davon, und trotzdem gibt die sich ganz gelassen.

Der erste Tag des Exodus war der 15. August. Damals schaltete die Kirche ein Online-Portal frei, über das die Norweger ganz einfach in die Kirche ein- und austreten können. Ja, Eintritte hat es im August auch gegeben: 1272, die meisten kamen über das Internet. "Niemand sollte gegen seinen Willen Mitglied in einer Religionsgemeinschaft sein", erklärte die Vorsitzende des Kirchenrats Kristin Gunleiksrud Raaum schlicht. Deswegen sei sie froh über diese "Selbstbedienungsmöglichkeit". Doch die hat offenbar einen Damm gebrochen. Zum Vergleich: Innerhalb der ersten sieben Monate dieses Jahres - also bevor man sich aus der Kirche herausklicken konnte - kehrten ihr nur 8591 Mitglieder den Rücken. Das sind weniger Austritte als am 15. August innerhalb eines Tages.

Egal wie einfach es nun ist, aus der Kirche auszutreten: Viele Norweger sind dort völlig ohne ihr Zutun gelandet. Ende der Neunzigerjahre hatte die Regierung beschlossen, die Mitgliederliste der Kirche mit dem norwegischen Melderegister abzugleichen. Die Kirche sei damals zwar sehr dagegen gewesen, sagt Ingeborg Dybvig, Pressesprecherin des Kirchenrates. Trotzdem landeten viele Norweger im Schoß der Kirche, die zuvor bereits ausgetreten waren, die gar nicht getauft oder aus anderen Gründen ferngeblieben waren.

Die Norwegische Kirche, evangelisch-lutherisch, war früher eine Staatskirche. Der König war ihr Oberhaupt, das Parlament bestimmte Kirchenangelegenheiten und mindestens die Hälfte der Regierungsmitglieder mussten der Kirche angehören. Im Mai 2012 änderte das Parlament die Verfassung, seither gibt es keine offizielle Staatsreligion mehr in Norwegen. Staat und Kirche werden nun Schritt für Schritt weiter getrennt, von Januar 2017 an etwa sind Kirchenmitarbeiter keine Staatsangestellten mehr. Dennoch bleibt die Kirche eine Volkskirche mit 3,8 Millionen Mitgliedern, das sind 73 Prozent aller Norweger. Dass die oft nur noch auf dem Papier dazugehören, machte eine Glaubensumfrage der Tageszeitung Aftenposten im März deutlich: Mehr als 700 der Befragten waren Kirchenmitglieder, doch von diesen Kirchenmitgliedern bezeichneten sich nur 48 Prozent als Christen und 33 Prozent als Atheisten. Der Online-Zugang soll dabei helfen, die Mitglieder-Liste aufzuräumen. "Die Leute erwarten heute, dass alles online möglich ist, zumindest in Norwegen", sagt Sprecherin Dybvig. Ein Formular aus dem Internet zu laden, auszudrucken und einzusenden fühle sich für viele Menschen zu kompliziert an. Der Online-Austritt ist einfacher: "Wir sind die erste Kirche, die das macht, zumindest in den nordischen Ländern." Für andere Glaubensgemeinschaften in Norwegen könnte eine solche Exit-Option deutlich schmerzhafter enden. Anders als die Norwegische Kirche bekommen sie ihr Geld vom Staat pro Mitglied.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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