Meteorologie:Potz Blitz!

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Potz Blitz, München. (Foto: Marcel Kusch/dpa)

Mit dem Klimawandel drohen angeblich vermehrt Hitzegewitter. Aber 2016 schlugen in Deutschland so wenige Blitze ein wie nie. Was steckt dahinter?

Von Christoph Behrens

In keinem Landstrich in Deutschland sind 2016 häufiger Blitze eingeschlagen als in Wesel. Den Landkreis in Nordrhein-Westfalen trafen im vergangenen Jahr 4,1 Blitze pro Quadratkilometer, insgesamt 4297. Damit ist Wesel laut dem Blitz-Informationsdienst von Siemens (Blids) die derzeitige Blitz-Hauptstadt Deutschlands. Auch im bayerischen Aschaffenburg und im nordrhein-westfälischen Landkreis Borken blitzte es den Messungen zufolge mit je 3,8 Einschlägen pro Quadratkilometer sehr oft. Nur wenige Gewitter verzeichneten dagegen Flensburg, Frankfurt an der Oder und Fürth.

Siemens zählt die Blitzeinschläge in Deutschland kontinuierlich über ein Netz an Messstationen. Die orten die elektromagnetischen Felder einer Blitzentladung bis auf 100 Meter genau. An den aktuellen Zahlen fällt auf, dass im Bundesgebiet im Jahr 2016 vergleichsweise wenige Blitze niedergingen, genauer: 431 644. Das ist die niedrigste Anzahl seit 1999 und ein deutlicher Rückgang zu 2015, als Blids rund 550 000 Einschläge zählte. Stephan Thern, der den Informationsdienst leitet, erklärt das damit, "dass im normalerweise blitzreichen August sehr wenige Gewitter zu verzeichnen waren". In Wesel habe es dagegen wenige, aber dafür sehr heftige Gewitter im Mai und Juni gegeben.

Doch auch langfristig ist die Zahl der Einschläge rückläufig. Zwischen 2006 und 2008 wurden jährlich rund eine Million Blitze in Deutschland gezählt. Die vergangenen sechs Jahre lag der Wert immer unter 700 000. Der Rückgang ist verwunderlich, da infolge des Klimawandels eine Zunahme von Hitzegewittern prognostiziert wird. Laut dem globalen Blitz-Netzwerks World Wide Lightning Location Network ziehen in jedem Moment etwa 1000 Gewitterzellen irgendwo über den Globus. Der Klimaforscher Colin Price hat berechnet, dass die Zahl der Blitzschläge bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa ein Viertel zunehmen könnte, sofern die Welt sich weiter erwärmt wie bislang.

In den vergangenen Jahrzehnten stieg in Deutschland die Lufttemperatur durchschnittlich um 0,1 Grad pro Jahrzehnt. Wieso also nicht auch die Zahl der Blitze? Der Zusammenhang zwischen Temperaturen und Gewittern sei kompliziert, sagt Arne Spekat vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Ein Gewitter formiert sich, wenn ein großer Temperaturunterschied zwischen der bodennahen Luft und den höheren Atmosphärenschichten entsteht. Die Atmosphäre wird dann zur Pumpe, die Luftpartikel nach oben saugt. Die Reibung lädt Gewitterwolken elektrostatisch auf, der Spannungsunterschied von mehreren Millionen Volt entlädt sich in einem Blitz.

Doch wie die Erderwärmung die Luftschichten in etwa zwölf Kilometern Höhe beeinflusst, "darüber wissen wir noch sehr wenig", sagt Spekat. Daher sei auch unklar, wie der Klimawandel die Pumpwirkung und somit Gewitter beeinflusse. Das deutsche Blids-System erfasst die Entladungen erst seit den Neunzigern. Für verlässliche Aussagen brauchen Klimaforscher aber Daten über mindestens 30 Jahre.

Langjährige Messungen zeigen jedenfalls, dass das Risiko für Unwetter mit viel Niederschlägen mit steigenden Temperaturen zunimmt, denn wärmere Luftmassen können mehr Feuchtigkeit aufnehmen und als Regen wieder ausschütten. Solche heftigen Unwetter trafen im Mai und Juni 2016 vor allem Regionen in Süddeutschland.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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