Krebserregendes Futter für Milchvieh:Bund warnte Länder frühzeitig vor verschimmeltem Mais

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Fressen Kühe schimmeliges Futter, scheiden sie die Substanzen mit der Milch aus - und das krebserregende Gift könnte beim Verbraucher landen. In knapp 1000 Milchbetrieben in Norddeutschland wurde mit Schimmelpilz belasteter Mais verfüttert, wie sich jetzt herausstellte. Ein erneuter Skandal in der Lebensmittelindustrie, der hätte verhindert werden können.

Krebserregender Schimmelpilz ist in Niedersachsen über Futtermais in die Milch gelangt. 10.000 Tonnen des mit dem Gift Aflatoxin belasteten Getreides gelangten in den Handel, landeten bei 13 niedersächsischen Herstellern, wo sie zu Mischfutter verarbeitet wurden. Ein erneuter Verbraucher-Skandal, der offenbar hätte vermieden werden können: Das Bundesverbraucherministerium warnte die Länder bereits im Herbst wegen möglicher Belastungen mit Aflatoxin.

In den vergangenen Monaten sei EU-weit eine Reihe von Schnellwarnmeldungen zu erhöhten Aflatoxin-Gehalten in Mais aus verschiedenen EU-Staaten eingegangen, sagte ein Behördensprecher. Das Ministerium habe im Oktober die für Futtermittelkontrollen zuständigen Länderbehörden und die Wirtschaft auf die Gefahr erhöhter Werte aus der Maisernte 2012 hingewiesen und um erhöhte Wachsamkeit gebeten.

Wachsamkeit, welche die Länderbehörden offensichtlich nicht ausreichend walten ließen. Den ersten Hinweis gab es erst bei einer Routinekontrolle im ostfriesischen Leer. Dort wurde in einer Probe ein Aflatoxin-Wert festgestellt, der den Grenzwert von 50 Nanogramm pro Kilogramm Milch leicht überschritt. Die Kontrolleure recherchierten und ermittelten eine Schiffsladung von 45.000 Tonnen Mais aus Serbien als Ursprung der Belastung. Sie waren über einen Hamburger Importeur an den niedersächsischen Hafen Brake geliefert worden. Davon gelangten 10.000 Tonnen Mais in Umlauf.

Bei Aflatoxin B1 handelt es sich um ein Gift, "das unter anderem von dem natürlich vorkommenden Pilz Aspergillus flavus gebildet werden kann und eine starke krebserzeugende Wirkung zeigt. Lebensmittel und Futtermittel unterliegen deshalb strikten Höchstmengenregelungen", heißt es in einer Mitteilung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums.

Aflatoxine in jeder Konzentration krebserregend

Eine Gefahr für Verbraucher sei unwahrscheinlich, da sich die Milch von verschiedenen Höfen vermische, wenn die Molkereien sie abholten, sagte die Leiterin der Verbraucherschutzabteilung im Ministerium, Heidemarie Helmsmüller.

Eine Einschätzung, die Hermann Ammer, Toxikologe von der LMU München, so nicht teilt. "Aflatoxine sind in jeder Konzentration krebserregend", sagte Ammer zu Süddeutsche.de. Auch Mengen unterhalb des Grenzwerts, die sich nur schwer nachweisen ließen, seien nicht per se ungefährlich.

Weil es auf viele andere Faktoren ankomme, zum Beispiel den Gesundheitszustand des Einzelnen, sei es unmöglich, abzuschätzen, ob "jemand krank wird, weil er belastete Milch getrunken hat". Eine generellen akute Gefährdung bestehe also nicht, chronische Schäden seien aber nicht auszuschließen. "Das Problem ist, dass Aflatoxine auch bei der Zubereitung der Milch nicht zerstört werden." Selbst wenn die Milch pasteurisiert und homogenisiert wird: Der Schimmelpilz bleibt.

Mit dem belasteten Futter wurden Ende vergangenen Jahres nach Ministeriumsangaben 3560 Bauernhöfe in Niedersachsen beliefert, vor allem im Nordwesten. Geringe Mengen wurden auch in andere Bundesländer geliefert. Insgesamt geht es um knapp 14.000 Lieferungen bis zum 25. Februar.

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Ins Visier der Kontrolleure gerieten jetzt vor allem die 938 belieferten Milchbetriebe. Sie wurden gesperrt, die Milch aus diesen Betrieben wird kontrolliert. Sollte der Höchstwert überschritten werden, bleibt die Sperre bestehen und die Betriebe müssen auf anderes Futter umstellen.

Nach etwa einer Woche geben die Tiere nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keine bedenklich hoch belastete Milch mehr. Für den neuen niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) ist es nach Pferdefleisch und Mogel-Eiern bereits die dritte Lebensmittel-Affäre kurz nach Amtsantritt. Die Spitze des Agrarministeriums war erst am Donnerstagnachmittag von der Fachabteilung im eigenen Haus informiert worden, weil die Experten im Ministerium die Situation vorher noch nicht abschließend bewertet hatten. Warum die Belastung des Futtermaises bei Eigenkontrollen der Industrie nicht auffiel, gilt noch als unklar.

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