Katholische Kirche:Verwirrender Lichtstrahl

Katholische Kirche: Bischöfe bei der Abschlussmesse der Familiensynode im Vatikan.

Bischöfe bei der Abschlussmesse der Familiensynode im Vatikan.

(Foto: AP)

Die Bischöfe hat bei ihrer Familiensynode in Rom der Mut verlassen, Geschiedenen und Homosexuellen ein Signal des Aufbruchs zu senden. Viele sind nun enttäuscht. Die katholische Kirche wird grundsätzlich über ihre Ehe-, Familien- und Sexuallehre streiten müssen.

Kommentar von Matthias Drobinski

Wer über die vielen Scheidungen zu klagen pflegt und mal gute Laune braucht, sollte die Perspektive einfach umdrehen. Er sollte sich sagen: Es ist ein Wunder, dass so viele Paare und Familien ein Leben lang zusammenbleiben, allen Schwiegermüttern und -vätern zum Trotz und allen Kindern, die einen erst in die Schlaflosigkeit und dann in den Wahnsinn treiben. Es ist ein Wunder, welche Krisen Paare überstehen, wenn man bedenkt, was Mann und Frau einander alles zumuten können. Und es ist überraschend, wie häufig Paare, Patchwork- oder Regenbogenfamilien sich an klassischen Familienformen orientieren, gerade wenn sie mit Kindern leben. Die Familie ist vielfach bedroht, durch Armut und Arbeitsbedingungen, die das Miteinander zernagen. In den reichen Ländern kommt sie den Leuten abhanden, weil sie voneinander jeden Tag das höchste Glück erwarten. In den armen Ländern stirbt sie an Flucht und Migration. Und doch ist sie bewundernswert zäh.

Den Bischöfen fehlte der Mut, einen Aufbruch zu wagen

Zu all dem hätte die katholische Kirche viel zu sagen, auch wenn dieser herumziehende Single Jesus vielleicht nicht das beste Vorbild für Familien ist und die ehelosen Kleriker auch eher die Außenperspektive vertreten. Sie kennt aber den Wert des Bleibens und Beharrens, sie denkt in Bindung, Verantwortung, Beziehung und Treue, sie weiß um den Wert des schutzbedürftigen Lebens. Und trotzdem hört sie kaum einer. Sie hat sich unheilvoll verfangen in ihren theologischen und philosophischen Konstrukten.

Kurz gesagt gehen die so: Die lebenslang treue Ehe zwischen Mann und Frau ist der natürliche Ort der Sexualität. Nur hier hat sie ihren Platz und auch nur dann, wenn sie zumindest theoretisch offen ist für die Zeugung von Kindern. Es ist ein harmonisiertes Bild, fast wie eine dieser Weltkarten aus dem Mittelalter, auf denen die Erde eine Scheibe ist mit Jerusalem in der Mitte. Nur wussten schon damals die Seefahrer: Segeln kann man nicht danach. So ist es auch mit dem Bild der katholischen Kirche.

Das Problem, das moralische und theologische Defizit dieses Konstrukts ist, dass es alle abwertet, die es nicht leben. Das beginnt bei dem Paar, das nach dem vierten Kind verhütet, geht über Geschiedene, die wieder heiraten, bis hin zu schwulen Partnerschaften - alles ist irgendwie fehlerhaft von der Norm abweichend. Daran ändert nichts, dass viele Bischöfe mittlerweile sagen, Verhütung sei letztlich Gewissenssache, und dass sie freundlich über Homosexuelle und Geschiedene reden. Das Gefälle bleibt. Auch der wichtige Begriff der "Barmherzigkeit", den Kurienkardinal Walter Kasper in die Debatte gebracht hat, definiert ein Oben und ein Unten. Jeder Mensch ist auf Barmherzigkeit angewiesen. Wenn aber eine Institution Regeln für diese Barmherzigkeit definiert, schreibt sie auch das Oben und das Unten fest.

In 46 Jahren, seit der "Pillen-Enzyklika" Pauls VI. von 1968, hat sich diese Lehre verfestigt; die Kirche hat darüber das Hören und Sehen verloren und sich eingeschlossen ins Kämmerlein der eigenen Dogmatik. Es ist Papst Franziskus, der erkannt hat, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Er hat die Lehre nicht einfach über den Haufen geworfen. Er hat die Riegel von den Fenstern und Türen genommen, die Kirche diskutiert offen. Das klingt banal, doch für sie ist das ein unerhörter Schritt.

Die Synode hat Türen und Fenster geöffnet, vorsichtig, einen Spalt breit

Die in Rom zur Synode versammelten Bischöfe haben tatsächlich die Türen und Fenster geöffnet, vorsichtig, einen Spalt breit. Sie haben vorigen Montag ein Dokument veröffentlicht, das einen Vorschlag enthielt, wie nichtehelichen Lebensgemeinschaften zumindest graduell ein theologischer Wert zugesprochen werden kann. Sie haben Luft und Licht in den so lange verschlossenen Raum gelassen. Es scheint einige geblendet zu haben. Der nun zum Abschluss der Synode veröffentlichte Text trägt keinen Aufbruchsgeist. Dort, wo es kitzlig wurde, bei den Homosexuellen und den wiederverheirateten Geschiedenen, verfehlte er die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Die Angst, dass das ganze schöne, gepflegte Gebäude zusammenfallen könnte, war bei vielen Bischöfen größer als der Mut, das Leben in seiner Vielfalt hineinzulassen.

Nach so vielen Jahren der Verhärtung ist das nicht überraschend - im Grunde hat der Papst diese Auseinandersetzung auch gewollt, als er die Synodenväter aufrief zu diskutieren. Nur: Freundlich formulierte Erklärungen wie die jetzt veröffentlichte werden nicht helfen. Die katholische Kirche wird grundsätzlich über ihre Ehe-, Familien- und Sexuallehre streiten und von alten Konstrukten Abschied nehmen müssen. Sonst wird sie noch lange von jedem Lichtstrahl verwirrt sein, der in ihr schönes Gebäude fällt.

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