Katholiken über Franziskus:"Der Papst muss nun Taten folgen lassen"

Lesezeit: 5 min

Anne Schirmer wünscht sich Frauen in Weiheämtern (Foto: KjG)

Redet er nur oder will er wirklich etwas bewegen? Gehen seine Worte zu weit oder nicht weit genug? Papst Franziskus hat mit seinem Apostolischen Schreiben für Aufsehen gesorgt, die Rede ist von einer "Revolution im Vatikan". Was deutsche Katholiken dazu sagen.

Sechs Protokolle. Von Felicitas Kock und Pascal Paukner

Anne Schirmer, 32, Bundesleiterin der Katholischen jungen Gemeinde

"Ich habe mich sehr über das Apostolische Schreiben von Franziskus gefreut, und das, obwohl Aussagen des Papstes als Institution bisher kaum eine Rolle in meinem Leben und meinem Glauben gespielt haben. Er spricht darin Dinge an, die mir am Herzen liegen - zum Beispiel, dass allen Menschen Zugang zum kirchlichen Leben gewährt und die Beteiligung von Jugendverbänden gefestigt werden sollte.

Papst Franziskus beschreibt die Dinge klar und verständlich. Gerade für junge Menschen ist es wichtig, dass er eine Sprache spricht, die nachvollziehbar ist - egal, ob man mit ihm einer Meinung ist oder nicht. Der Papst muss nun Taten folgen lassen. Mir reicht es nicht, wenn sich erst in 50 bis 100 Jahren etwas ändert!

Sehr schade und traurig finde ich, dass er sich nicht dafür einsetzt, dass Frauen zu Weiheämtern zugelassen werden. Er schreibt, diese Frage stehe nicht zur Diskussion. Für mich steht sie zur Diskussion, und zwar dringend. Mich überzeugt das Argument nicht, dass es der Kirche verboten ist, Frauen zuzulassen.

Ich erlebe bei meiner Arbeit, dass der Papst bei jungen Menschen Gesprächsthema ist und Hoffnungen geweckt hat. Dennoch stehen für die KjG (Katholische junge Gemeinde) viele noch konkretere Fragen und Probleme an - zum Beispiel die nach der Anerkennung der ehrenamtlichen Jugendarbeit in den Kirchgemeinden vor Ort.

Auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Denn aktuelle Vorfälle stellen immer wieder den eigenen Glauben und das eigene Engagement in der katholischen Jugendverbandsarbeit in Frage. Da Papst Franziskus auch genau diese Dinge konkret anspricht, bin ich wahnsinnig gespannt, ob und welche Veränderungen nun tatsächlich stattfinden!"

Pfarrer Stefan Hippler mit einer kleinen Patientin in Kapstadt. (Foto: Picasa; Hope Cape Town)

Stefan Hippler, 53, katholischer Pfarrer und Vorsitzender der Hilfsorganisation "Hope Cape Town" in Südafrika

"Ich habe schon viele Apostolische Schreiben gelesen, normalerweise sind sie lang, trocken und kompliziert. Das, was Papst Franziskus jetzt veröffentlicht hat, ist vollkommen anders. Er erkennt die Zeichen der Zeit, er erkennt die Probleme, die es auf der Welt gibt - und er sagt, an welchen Stellen wir uns als katholische Kirche stark machen müssen. Er formuliert seinen Traum von Kirche und spricht damit Katholiken auf der ganzen Welt aus dem Herzen. Ich habe das Gefühl, als würden viele Gläubige regelrecht aufatmen.

Ich persönlich arbeite sehr nah an der Basis, engagiere mich als Pfarrer gegen die Verbreitung von Aids in Südafrika - und ich fühle mich durch Franziskus' Worte nach Hause geholt. Das ist meine Kirche! Natürlich will man irgendwann auch Taten sehen, aber er geht es ja an. Er hat bereits einen Kardinalsrat eingesetzt, der Vorschläge für eine Kurienreform erarbeiten soll. Wir haben es hier mit sehr alten, verkrusteten Strukturen zu tun, bis sich tatsächlich etwas tut, dauert es eine Weile.

Aber schon die Worte lösen Bewegung aus. Sie schaffen ein Klima, in dem Veränderung möglich ist. Auch nach außen hin hat das eine positive Wirkung. Früher musste ich mich manchmal für meinen Arbeitgeber rechtfertigen, heute kommen die Leute und interessieren sich ernsthaft für die katholische Kirche und das, was der neue Papst so macht."

Alois Rhiel, 63, Staatsminister a.D. und Oberbürgermeister der Stadt Fulda a.D.

Mit dem Apostolischen Schreiben macht Papst Franziskus deutlich, dass er es ernst meint mit der Ansage, die katholische Kirche nach den Maßstäben des Evangeliums neu auszurichten. Diese aufrüttelnden Worte, dieser Impuls von Papst Franziskus, ist aus meiner Sicht überfällig und er kommt gerade zur rechten Zeit. So wird dieser Papst zu einem Geschenk Gottes, so wie es auch seine beiden Vorgänger waren.

Das Schreiben verweist in vielen Beispielen darauf, dass der Mensch immer der Maßstab aller Überlegungen sein muss. Er und seine von Gott verliehene Würde stehen im Mittelpunkt. Franziskus bekräftigt, was Papst Benedikt XVI. zu Recht als "Entweltlichung der Kirche" gefordert hat.

Beim genaueren Hinsehen werden im Schreiben von Papst Franziskus in den Worten "Dekonzentration", "Solidarität" und "Verantwortung des Einzelnen" exakt die drei Gestaltungsprinzipien hervorgehoben, welche die Kirche in der katholischen Soziallehre als "Bausteine" für eine menschengerechte Gesellschaft herausgestellt hat. Sie müssen aus Sicht von Franziskus auch in der Ordnung der Kirche selbst zur Geltung kommen.

Die in dem päpstlichen Schreiben zum Ausdruck kommenden Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität waren exakt die Gestaltungsprinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Ihre Begründer hatten die Bausteine der katholischen Soziallehre zu den Ecksteinen unserer Wirtschaftsordnung gemacht, die zu sozialem Wohlstand für alle führen soll. Doch falsche und gegen diese christlich fundierten Prinzipien gerichtete Entscheidungen der Politik haben diese Ordnung an vielen Stellen deformiert, wie auch bei den aktuellen Koalitionsvereinbarungen zu sehen ist.

Franziskus macht klar, dass in Kirche und Gesellschaft eine klare Hinwendung zu einer ethischen und somit menschengerechten Ordnung unabdingbar ist. Aber noch mehr zeigt er den einzelnen Menschen, besonders uns Christen auf, dass in der Hinwendung zum Nächsten auch für uns selbst der Schlüssel zu einem geglückten menschlichen Leben zu finden ist. Diese Worte sind klar und verständlich und werden ihre Wirkung nicht verfehlen.

Lisa-Elena Schönle, 25, war auf einem katholischen Gymnasium und studiert Germanistik, Geschichte und Biologie in Heidelberg

"Ich verstehe mich als Anhängerin der Urkirche, die von den Privilegien der Kirchenoberhäupter wenig hält und im Alltag die 'Faustregeln' der Christenheit befolgt. Papst Franziskus verändert meine Ansicht über die Kirche massiv, weil er endlich der Papst zu sein scheint, den ich mir schon 2005 nach der Wahl von Benedikt XVI. gewünscht habe: einen weltoffenen Papst, der in der Realität lebt und die Probleme anders angeht.

Lisa-Elena Schönle hat das Abitur an einem katholischen Gymnasium absolviert. (Foto: Picasa; Privat)

Das Apostolische Schreiben empfinde ich als einen ersten wichtigen Schritt hin zu einem dauerhaften Wandel der Kirche. Ich finde es wichtig, dass sich die Kirche in einer Gesellschaft zu Wort meldet, in der die Bedeutung der Wirtschaft größer ist als die von Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe.

Ich würde mir allerdings noch wünschen, dass auch der Zölibat aufgehoben wird. Dies würde in Franziskus' realitätsorientiertes Programm passen. Außerdem wäre die Kirche ihre Nachwuchssorgen dann zu großen Teilen los. Was hat denn eine gute Predigt mit sexueller Enthaltsamkeit zu tun? Für mich schließt das eine das andere nicht aus. Daher wäre das eine sehr wünschenswerte Veränderung."

Heinrich Böckerstette, 73, Theologe und Schulamtsdirektor im Kirchendienst a.D.

Heinrich Böckerstette gefällt die Idee von einer verbeulten Kirche (Foto: Pascal Paukner)

"Ich finde diesen Papst großartig. Das heißt nicht, dass ich die anderen Päpste verurteile. Aber was wir jetzt sehen, ist eine andere Seite der Kirche. Es ist eine Kirche, die sich zu der Menschlichkeit der Menschen bekennt. Es ist eine Kirche, die sich zu der Menschlichkeit und Fehlbarkeit der Institutionen bekennt. Damit lässt es sich besser leben. Mit Rigoristen lässt es sich nicht leben.

Was mir sehr gut gefallen hat, war, dass der Papst von einer "verbeulten" Kirche gesprochen hat. Die Kirche war von Anfang an eine verbeulte Kirche. Schon Petrus hat Beulen abgekriegt, eigentlich jeder.

Ich bin überzeugt, dass die Worte das Papstes auch ihre Wirkung entfalten werden. In unserer Hauruck-Gesellschaft denken wir, dass so etwas von heute auf morgen geschehen könnte. Tatsächlich wird sich aber nur etwas ändern, wenn sich die Menschen ändern - und das geht nicht auf Knopfdruck."

Franz Pfaff, 68, Schreiner und Vorsitzender des Pfarrgemeinderats Frickingen-Altheim

"Was ich jetzt von Papst Franziskus in der Zeitung lese, wollte ich schon lange lesen. Mir gefällt es gut, wenn der Papst die Kirche dezentralisieren will. Die Kirche ist seit Jahrhunderten eine zentralistische Institution, hinter deren Fassade man kaum blickt. Wer mit der Kirchenverwaltung zu tun hat, weiß, dass der Amtsschimmel da häufig noch gewaltig wiehert.

Der Papst macht sich als deutliche Stimme zum politischen Geschehen und speziell zum Finanzgebaren bemerkbar. Ich habe in der Vergangenheit immer bemängelt, dass sich die Kirche trotz der vielen Anlässe nur selten in solchen Fragen äußert.

Ich habe ein sehr kritisches Verhältnis zur Kirche, aber trotz allem lässt sie mich nicht los. Wenn sich Kirche nur im frommen Geschwafel erschöpft, dann brauche ich sie nicht. Der Glaube muss konkret werden. Ich hoffe, dass Papst Franziskus seinen Kurs durchhält."

© Süddeutsche.de/feko/pauk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: